Es gibt ja Menschen, denen liegt das Organisieren von Events im Blut. Das sind die geborenen Partymaker. Die mixen vier Cocktails gleichzeitig, legen die perfekte Mucke auf und reichen dabei anmutig lächelnd Hors d’Oeuvres, bei denen ich unweigerlich vor Entzücken mit den Ohren schlackere. Selbstverständlich sehen diese geborenen Gastgeber dabei noch umwerfend aus und sind so souverän und cool wie Daniel Craig bei seiner Film-Premiere. Ich gehöre nicht zu diesen Menschen. Ich gehöre vielmehr zu der Sorte von Leuten, die bereits sechs Monate vor einer Party, die sie selbst ausrichten müssen, anfangen an Schlafstörungen zu leiden und sich dann, wenn es soweit ist, am liebsten im Keller verstecken würden. Von mir veranstaltete Partys machen mich nervös.
Seit zwei Jahren Partyflaute
Und so blicke ich auf unruhige Zeiten zurück. Denn unsere Tochter wurde sich diesen Frühling der Tatsache bewusst, dass wir ihren Geburtstag coronabedingt die letzten zwei Jahre eher so im Sande verlaufen ließen. Zwar wurde sie von den betagteren Familienmitgliedern, allen voran Omas und Opas gebührend gefeiert, allerdings blieb aufgrund steigender Inzidenzen der ersehnte Kindergeburtstag aus. Ich gebe es zu, für mich war dies einer der wenigen Lichtblicke, die die düstere Coronazeit bislang mit sich brachte. Ich konnte mich vor Kindergeburtstagen drücken. Allerdings eben nur so lange, bis unsere Tochter mich als Drückebergerin entlarvte. Die Entlarvung kam passenderweise pünktlich mit dem Erblühen erster Frühlingsblüten. Und mit ihr kam die Frage unserer Zweitgeborenen, wann wir denn gedächten, ihren vierten Geburtstag nachzufeiern. Dabei vertröstete ich sie immer wieder auf den 2. November, den Tag ihrer Geburt. Als Ablenkungsmanöver begann ich dann schon im Juni diversen Einhorn-Plunder für die große Party im Herbst einzukaufen. So begleitete uns die „Vision“ ihres bevorstehenden Wiegenfestes das ganze Jahr hindurch. Sogar so sehr, dass es unsere Tochter im Oktober nicht mehr aushielt und mich anflehte, doch nun endlich einen Monat vor ihrem fünften Geburtstag ihren vierten Geburtstag nachzufeiern. Eine grandiose Idee!
Wenn der Tortenschreck backt
Da ich, wie gesagt, eher zu den Menschen gehöre, denen das Ausrichten von Partys im Allgemeinen und das Organisieren von Kindergeburtstagen im Besonderen, nicht allzu viel Freude bereitet, bestellte ich mit ihr weiteren Einhorn-Schnickschnack. Und mein Plan ging auf. Mit dem Eintreffen des an Kitsch kaum zu überbietenden Einhorn-Traums vergaß meine Tochter den Gedanken an eine Nachfeier und freute sich nun nur noch auf die Party, die zu Ehren ihres fünften Geburtstages bald stattfinden sollte. Um die Vorfreude noch zu steigern, begannen wir bereits im September an der Gästeliste zu feilen. Auch das Einhorn-Tortenrezept lag bereits seit August bei mir in der Küche herum und bereitete mir Bauchschmerzen. Obwohl ich aus einer Konditoren-Familie stamme, zählt das Backen nicht gerade zu meinen Stärken. Brennkuchen oder Kuchen, die in Form und Konsistenz große Ähnlichkeit zu einem Leberkäs‘ haben, sind dabei meine Spezialität. Ich bin quasi das Pendant zur Tortenfee, nämlich der personifizierte Tortenschreck. Zum Glück steht mir mein Freund Dr. Oetker verlässlich bei Geburtstagen zur Seite. Allerdings stößt auch er bei Einhorn-Torten an seine Grenzen. Und trotzdem war ich wild entschlossen, keine Torte zu kaufen, sondern sie selbst zu machen. So als Liebesbeweis. Meiner Backunfähigkeit zum Trotz rückte der große Tag immer näher. Um mich warm zu backen, versuchte ich es für die kleine Party im Kindergarten zunächst mit Einhorn-Cupcakes. Das Ergebnis war ernüchternd und wurde von unserer Tochter mit folgenden Worten kommentiert: „Die esse ich lieber nicht, Mami, die sehen nicht gut aus!“ Leider musste ich ihr zustimmen. Der Arbeitstitel zu meinem Backwerk schien zu lauten: „The last unicorn“ Aufgrund meiner Ungeduld hatte ich die Buttercreme auf die noch warmen Törtchen geklatscht und die gezwirbelten Fondant-Einhörner dann in die herunterlaufende Buttercreme gematscht. Ein fataler Fehler, wie sich schnell herausstellte. Aus den strammen Einhörnern wurden innerhalb einer Nacht schlaffe, krumme Gurken und die Buttercreme floss an den Cupcakes herunter als sei sie vor mir auf der Flucht. Wahrscheinlich zu Recht.
Und die Torte glänzt im Nieselregen
Doch die Cupcakes waren in der heißen Phase der Partyvorbereitung mein geringstes Problem. Eine viel größere Herausforderung war die Tatsache, dass wir unsere Gästeliste aufgrund steigernder Inzidenzen schrumpfen lassen mussten, während meine Nervosität stieg. Ich hatte mir alles so schön vorgestellt: Die Deko im Wohnzimmer, die Spiele im trauten, warmen Heim. Während ich immer wieder die perfekte Einhorn-Party gedanklich durchspielte, fragte mich unsere Tochter jeden Tag mindestens vier Mal, wie oft sie denn noch schlafen müsse, bis sie ihren Gästen auf ihrem neuen Einhorn entgegenreiten dürfe. Undenkbar, dass ich dem Rat der Kinderärztin folgen und die Party kurzerhand absagen sollte. Das konnte ich dieser kleinen, zarten Kinderseele nicht antun, nach zwei nicht gefeierten Geburtstagen. Daher entschlossen wir uns, der Wettervorhersage zum Trotz, den Kindergeburtstag ins Freie zu verlegen. Das Einhorn hatte ja Fell. Dabei beschäftigten mich so existenzielle Fragen wie: Gibt es Regencapes für Einhorntorten? Oder: Sollte eine Feuerschalle bei einem Kindergeburtstag zum Einsatz kommen? Außerdem legte ich mir noch sicherheitshalber einen Vorrat an Schnelltests zu.
Zu Gast bei der spanischen Inquisition
Unter erschwerten Bedingungen war der große Tag dann irgendwann gekommen. Um 14:30 Uhr sollte die Party beginnen. Schön, dass pünktlich zum Start des Festes ein dickes Regenband den rosaroten Einhornhimmel verdunkeln sollte. Also wurde erneut alles umgeschmissen. Dass mittlerweile kein Shitstorm über mich hereinbrach, als ich die digitale Geburtstagsgruppe schon wieder um eine kleine Umdisponierung bat, verwunderte mich zutiefst. Dick eingemummelt und kaum zu erkennen, trafen die feierwilligen Kinder, die in der Zahl stark reduziert waren, also bereits um 13 Uhr bei uns ein. Dabei kam ich mir im Vorfeld vor, wie bei der spanischen Inquisition. Keiner, der nicht vorher den negativen Schnelltest eingereicht hatte, durfte die Pforte zum pastellfarbenen Glück passieren. Einem Vater rannte ich sogar mit Schnelltest entgegen, bevor er mir sein Kind übergab. Gastfreundschaft schaut anders aus. Und auch das Setting der Party erinnerte mehr an einen Gruselfilm. Kurz vor Eintreffen der Gäste blies Petrus die gesamte Deko vom Terrassentisch und die an den Hauswänden festgenagelten Helium-Einhörner entschlossen sich, mit dem Wind davonzureiten. Dabei wurde ich sehr demütig und hätte vor Freude beinahe Purzelbäume geschlagen und dass nur, weil wir die Torte und Cupcakes lediglich im Sprühregen verzehren durften.
Von der Einhorn-Sause zur Ghetto-Party
Allerdings hatte ich mich zu Früh gefreut. Denn die Wettervorhersage entpuppte sich als hervorragend präzise. Pünktlich zur Schatzsuche setzte dann Starkregen ein. Und beim Sackhüpfen und Eierlaufen durften die Kinder dann witterungsbedingt die genauen Abmaße unserer Garage kennenlernen. Es fehlten eigentlich nur noch die brennenden Mülltonnen, dann hätten wir den Bogen von der blümeranten Einhorn-Sause zur Ghetto-Party erfolgreich gespannt. Den Kindern schien der Regen und die mit zwei Girlanden und drei Luftballons etwas kümmerlich dekorierte Garage als Party-Setting nichts auszumachen. Sie freuten sich an den mittlerweile großzügig von mir verteilten Süßigkeiten (irgendwie muss man den Nachmittag ja rumkriegen), meinen stümperhaften Versuchen des Ententanzes und lauwarmer Hotdogs. Doch das eigentliche Highlight kam zum Ende der Party. Unter maximalen Glucose-Einfluss fingen die kleinen Party-People an, mit großem Elan, unsere Garage auszukehren. Kein Krümel blieb verschont. Anschließend wurde dann im Regen zum Lied „Ich bin ein Einhorn“ gerockt, während das Helium-Einhorn über unseren Köpfen mit den Sturmböen tanzte.