Wir gehören leider nicht zu den Familien, die in sich ruhen. Die stets besonnen sind und in Stress-Situationen einen kühlen Kopf bewahren. Die unendliche Geduld bei der Kindererziehung und dem partnerschaftlichen Miteinander beweisen und einfach nie aus der Haut fahren. Leider. Wir sind alle irgendwie aufbrausend und stürmisch. Ich sage es ungern, die Contenance wohnt nebenan. Bei uns wird hin und wieder, zugegeben auch mal öfter, gebrüllt, geschimpft und geflucht.
Ich glaube nicht unbedingt an Sternzeichen, aber die, die daran glauben, mögen vielleicht den Grund in unserem kollektiv erzürnenden Temperament darin sehen, dass wir alle astrologisch gesehen Hörnertiere sind – bis auf das Baby, aber das hat einen Stachel. Und so lebt es sich als Widder, Stier und Skorpion öfter mal laut und rebellisch unter einem Dach.
Der Pari-Boy mein heimlicher Geliebter
Dabei bringen manche Tage, unsere Gemüter ganz besonders in Wallung. Tage, an denen schon morgens die Spüle überläuft und die Küche unter Wasser steht, während das Baby mit Bronchitis darniederliegt und schon aufgrund seines elenden Gesundheitszustandes zum Weinen neigt. Tage, an denen ich vor dem Inhalationsgerät zu finden bin. Der Pari-Boy ist mittlerweile mein heimlicher Geliebter! Mit ihm verbringe ich vor allem im Winter kuschelige Momente und betrachte mit ihm stundenlang das schlafende Baby. Mit einer bleiernden Müdigkeit in den Knochen und selbst vollkommen angeschlagen. Da bringt mich die Botschaft meines Mannes mit „Die Küche steht unter Wasser“ zum Heulen. Doch dem nicht genug. Denn wenn sich in unserem Heim technische Malaisen einstellen, dann nicht vereinzelt, sondern zuhauf, im Konglomerat sozusagen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass dem Ruf über die morgendliche Überflutung am Nachmittag die Mitteilung folgt: „Unsere Abwasserpumpe gibt den Geist auf und unser Garten wird gerade zu einer Kloake.“ Ich entnehme der Stimme meines Mannes eine gewisse Hysterie und eine Neigung zum Fluchen. Und auch mein Geduldsfaden zerrreißt vollends nach dem der Stenz mein Essen erblickt und erschnüffelt. Mit den Worten: „Mama, Dein Essen stinkt. Das kannst Du selber essen“. lockt er mein hässliches und schimpfendes Ich aus der Reserve. Es lauerte schon den gesamten Vormittag unter meinem dünnen, fast transparenten Nervenkostüm, das gerade von mir wie staubiger Putz abzubröckeln droht. Wie gut, dass Schwiegermama mich rettet und den Stenz zum Spielen abholt.
Der bärbeißige Stenz
Doch Tage wie diese enden nicht einfach mit angeblich stinkendem Essen. Oh nein, Tage wie diese haben noch einige Trümpfe im Ärmel. Einen dieser Joker ziehe ich gerade als ich mit der Mutter des Stenzens besten Freundes telefoniere und in einem Nebensatz erfahre, dass mein Sohn heute im Kindergarten seinen Busenfreund gebissen hat. Mir fällt vor Schreck fast der Hörer aus der Hand. Diese Nachricht trifft mich wie ein Schlag, da ich durch die vorhergehenden Hiobsbotschaften schon emotional am Straucheln war. Ich kann es nicht glauben, dass mein kleines Engelchen zu so einer Tat fähig ist. Die Recherche im Internet über den wankelnden Gemütszustand beißender Dreijähriger ist höchst beunruhigend und lässt mich fast panisch über die Konsequenzen sinnieren. Ich versuche das Thema mit meinem Mann, der gerade mit beiden Beinen in der Garten-Kloake steht zu diskutieren, was sich als vollkommen falsche Strategie erweist.
Laus-Alarm!
Denn neben unserem Abwasser-Problem, einem beißenden Stenz und einem hustenden Baby droht diese Diskussion einen weiteren Kriegsschauplatz zu eröffnen und einen veritablen Ehestreit zu entfachen. So bringt mich die schmallippige Antwort meines Mannes auf die Nachricht, dass man im Umgang mit unserem Kind bald eine Tetanus-Spritze benötigt vollends auf die Palme. Mit seiner Antwort „Ja mei, da hat unser Stenz wohl mal Bärenjunges gespielt“ hat sich mein Mann in Erziehungsfragen leider vollkommen disqualifiziert. Nach der Lektüre etlicher Erziehungsratgeber sehe ich mich gewappnet meinem bärbeißigen Sprössling mit geeigneten Sanktionen am Abend entgegenzutreten und öffne ihm und der Oma streng dreinblickend die Türe. Ich will gerade mit meiner Strafpredigt beginnen, während ich dem Stenz die Mütze vom Kopf ziehe. Verstumme allerdings schlagartig. Denn das Haupt unseres Kindes gleicht in der Tat dem eines Raubtieres und zwar eines Raubieres, das zu mangelnder Körperhygiene neigt. Es ist übersät mit schwarzen Pünktchen! Sofort läuten bei mir sämtliche Alarmglocken und das Kindergarten-Pamphlet, das bei mir morgens noch auf vollkommene Gleichgültigkeit stieß, leuchtete plötzlich grell und bedrohlich vor meinem inneren Auge: „Der Bienenstock hat Läuse“. All das Ungemach des Tages erschien mir plötzlich in Anbetracht dieser gewaltigen Nachricht wie nichtige Kinkerlitzchen. Ich schrie gen oberes Stockwerk: „Der Stenz hat Läuse, fahr sofort los und hole Laus-Shampoo.“ Doch wie konnte es anders sein, fiel die Laus-Diagnose schon zu später Stunde kurz vor Ladenschluss. Doch unter Aufbringung seines gesamten Charmes gelang es meinem Mann im Telefonat mit einer Apothekerin, dass diese versprach noch ein Viertelstündchen länger zu bleiben und auf den Vater des Laus-Befallenen zu warten. Mit quietschenden Reifen setzte sich der Mann, der sonst eigentlich eher zu keinen überstürzten Handlungen neigt, in Bewegung. Der Abend kulminierte dann in einem Läuse-Massaker auf des Stenzes Haupt. Welch ein passendes Ende für einen desaströsen Tag! Kurioserweise entpuppte sich die Laus-Hysterie ein Tag später als vollkommen unnötig. Am anderen Morgen unter der Lupe betrachtet, erwiesen sich die schwarzen Pünktchen nämlich als lebloser Dreck. Viel Aufregung um nichts, darin sind wir meisterhaft!