Als ich noch keine Kinder hatte, habe ich mir das Leben mit Kindern immer als etwas abstrakt Idyllisches vorgestellt: Kuchenduft, Kinderlachen, Gänseblümchen, Sonnenschein, Faulenzen und jede Menge glücklicher Gefühle im Bauch – so hatte ein Sommertag mit Kindern auszusehen.
Die Realität lehrte mich diesen Mai mal wieder sehr konkret etwas Anderes: Wolkenloser Himmel, Vogelgezwitscher, Grillenzirpen und warme 25 Grad – die äußeren Umstände waren perfekt und schrien uns förmlich entgegen „Kommt sofort raus und macht es Euch im Garten gemütlich.“ Als kinderloses Paar war Faulenzen so einfach: Man legte sich in den zugegebenermaßen spärlichen Halbschatten unseres persönlichen Kleinods und las ein gutes Buch. Der kleine Sonnenbrand am Anfang jeden Sommers würde schon nach einer kurzen Hautpelle einer angenehmen Bräune weichen. Ein Eiskaffee und einige Nickerchen später zündete man am Abend gemütlich den Grill an und lud unkompliziert ein paar kinderlose Paare zu sich ein und stieß mit einem Glas Rosé auf das eigene wunderbare Leben an. Sommer ohne Kinder im Garten war so einfach.
Der ganz normale Garten-Wahnsinn
Sommer mit Kindern im Garten ist anstrengend. Natürlich folgten wir dem Ruf dieses herrlichen Sonnentages und stürmten nach draußen. Aber nicht, ohne gewisse Vorkehrungen zu treffen: Der Mann fing hektisch an, einen Sonnschirm nach dem anderen zu platzieren und wortreich aufzustellen. Liegen wurden aufgebaut, mit Bezügen eingedeckt, Krabbeldecken auf die Wiese gelegt. Diverses Spielzeug für das Baby rausgeschleppt. Die Wippe aus dem Haus in den Garten getragen, Breichen für das Baby, Wassermelonen und Getränke für den Stenz aus der Küche geholt. Ach ja, man selbst hatte irgendwie auch Durst und auch schon etwas Hunger. Schnell nochmal ein paar Pfannkuchen gebacken und ebenfalls in den Garten geschleppt. Mist, die ersten Mücken! Und irgendwie scheint es dem Stenz im Schatten der Sonnenschirme nicht so recht zu gefallen. Mückenspray und Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50+ im Bad ausfindig gemacht. Kinder unter lautem Geschrei ausgezogen und unter Aufbringung der besten Argumente eingecremt und mit Anti-Mücken-Spray eingesprüht. Ach ja, und wo waren nochmal die Sonnenhüte? Erster kleiner Schwächeanfall meinerseits. Erster mittelgroßer Tobsuchtsanfall des Stenzes, der versucht, seinen sperrigen Riesentraktor über unsere hügelige Wiese zu treten. Leider vergeblich. Erstes launisches Gemurre meines Mannes „Ich möchte doch nur in Frieden mein Buch lesen.“ Ablenkungsmanöver für den Stenz eingeleitet: „Komm wir spielen Federball!“ Das Baby schreit. Ach ja, das hatte ja vor einer Stunde schon Hunger. Der Stenz spielt mit sich selber Federball. Jedenfalls für zwei Minuten. Erneutes Gebrüll, weil Federball alleine eben nicht glücklich macht. „Stenz, schau doch mal in die Gartenhütte, da sind doch so viele Spielsachen.“ Gesagt getan. Alle Kräne, Lastwagen, Eimerchen, Kinderrasenmäher, Drachen, Fußbälle, Tennisschläger, Frisbees und Wasserpistolen ausgeräumt und den Rasen damit bunt und plastikreich verziert. Erneutes Gebrüll vom Stenz: „Mir ist sooo langweilig.“ Die zündende Idee: „Warum machst Du hinter unserer Gartenhütte nicht Deine berühmt berüchtigte Matschsuppe für uns?“ „Ja, Mami, das ist eine super Idee!“ Puh, Glück gehabt. Endlich lege ich mich in die Hängematte auf die kleine Terrasse unserer Gartenhütte.
Das Gartenhäuschen, unser ganzer Stolz
Diesen Rolls Royce unter den Gartenlauben haben wir uns übrigens vor zwei Jahren von einem Schreiner maßanfertigen lassen. Nachdem unsere alte Gartenhütte irgendwann auf das Grundstück unserer Nachbarn geflogen war. Ich kam damals nach Hause und dachte so bei mir, wie komisch leer unser Grundstück aussah, irgendwie verwaist. Etwas fehlte. Ich ging in die Küche und machte mir einen Kaffee und plötzlich merkte ich es, die Gartenlaube war weg! Andere Leute lassen Drachen steigen, wir ließen unser Hüttchen steigen. Nach dem ersten Schreck entwarfen wir dann einfach die zweite Generation eines hölzernen Rückzugsparadieses, das wir seitdem hegen, pflegen und mit viel Liebe zum Detail dekorieren. So à la Country Living: Windspiele, Hängematten, mediterrane Kissen und Oleander so weit das Auge reicht.
Gefährliche Ruhe
Und genau jetzt hier in der Hängematte stille ich das Baby und genieße die plötzliche und unerwartete Ruhe. So schlecht ist so ein Sommertag mit Kindern gar nicht. Das Baby ist an meiner Brust selig eingeschlafen und ich beiße genüsslich von meiner süßen Wassermelone ab und erfreue mich an den Gänseblümchen im Garten. Es fehlt zwar noch der Kuchenduft, aber glückliche Gefühle im Bauch habe ich trotzdem. Vielleicht war meine Vorstellung von damals als ich noch kinderlos war, doch gar nicht so weit gefehlt. 20 Minuten später herrscht immer noch diese unglaublich friedvolle Stille, die lediglich vom Muhen der Kühe auf der Nachbarwiese und dem Grillenzirpen akustisch untermalt wird. Der Mann ist sogar kurz eingenickt und schnarcht leise. „Stenz?“ rufe ich, „lebst Du noch?“ „Ja, Mami“ vernehme ich dumpf die Antwort meines Kindes, das sich immer noch hinter der Gartenlaube verlustiert. „Was machst Du?“ keine Antwort. Ich wecke den Mann, weil es für mich gerade zu umständlich wäre, mich mit dem schlafenden Baby aus der Hängematte zu schälen und bitte ihn, nach dem Stenz zu schauen. Klagvolles sonores Schimpfen ist seine Antwort. Ich bettle ihn an. Er erbarmt sich und schlurft hinter die Gartenhütte. Eine Minute vollkommene Ruhe. Dann ein ohrenbetäubendes Geschrei meines Mannes. Der sonst relativ besonnene Mann fängt an zu fluchen und wird immer lauter. Der Stenz heult. Ich vernehme folgenden Satz meines Mannes „Das gibt es doch nicht, er hat hinter die Hütte gekackt und verziert damit die Wände unserer Laube. Mir reicht es, ich gehe rein. Lasst mich bloß alle in Ruhe“. Schluss mit der Gemütlichkeit, Ende mit der Sommer-Idylle im Garten. Das Baby ist aufgewacht und brüllt. Ich brülle und lasse meinen Sommertag mit Putzeimer und Lappen bewaffnet beim Kacke abwischen der Hütte ausklingen. Das kommt davon, wenn man mal 20 Minuten mit Kindern faulenzen will. Aber vielleicht hatten wir ja noch Glück. Meine Schwägerin erzählte mir kürzlich, dass meine Nichte ihr nun als großes Schulmädchen anvertraut hat, dass ihre beste Freundin damals im Kindergarten einmal ihr Kacka probiert habe. Herr, schmeiß Hirn vom Himmel und hilf mir den nächsten Sommertag im Garten mit ganz viel Humor zu überstehen.