Zugegeben, nicht ganz. Denn da sind noch zwei kleine Menschlein, die mich mit ihren Brombeer-Äuglein anschauen. Aber Papa ist weg. Er ist jetzt regelmäßig, genau wie Mama, alleine auf Dienstreise. Mit leerem Gepäck sozusagen, ohne Junior-Tester. Was hin und wieder für alle Beteiligten sehr wohltuend ist. Denn unsere Familie ist, was das Zusammensein anbelangt, ziemlich extrem. Wir sind eigentlich ständig und immer irgendwie zusammen. Ein bisschen wie siamesische Vierlinge. Und das montags, dienstags, mittwochs, donnerstags, freitags, samstags und sonntags natürlich auch. Wobei das eigentlich sehr schön ist. Nur sonntags schleichen sich ab und zu, vom unendlich vielen Zusammensein, leichte Ermüdungserscheinungen ein. Während andere Familien für jede gemeinsame Minute unsäglich dankbar sind, sind wir hin und wieder von Dank erfüllt, wenn wir ausnahmsweise einmal getrennte Wege gehen dürfen.
Papa ante Portas oder Papa auf dienstreise
Denn bei uns ist es wie bei „Papa ante Portas“, nur dass Papa noch nicht pensioniert ist. Er macht halt gerne „Home Office“. Genau wie Mama. Und auch der Stenz liebt unser Haus. Obgleich er auch den Kindergarten liebt, aber eben nicht unbedingt nachmittags. Denn da zieht er die Gesellschaft seiner Familie, die der Kindergärtnerinnen ganz klar vor. Tja, und der Aktivitäten-Radius von Louloubelle ist, schneller Watschelgang hin oder her, bislang noch eher eingeschränkt. Und so gilt die fortwährende Sippenhaft auch und gerade für sie. Ja, und jetzt ist Papa für ein paar Tage verreist und Mama allein zu Hause, was eigentlich, wie eingangs erwähnt, auch mal ganz schön ist. Wenigstens ein klitzekleines bisschen – außer vielleicht morgens, abends und nachts natürlich auch. Denn wenn Papa dann mal weg ist, ist es ziemlich leer im Haus. Und ich merke, wie unglaublich cool es ist, einen Papa zu haben, der genau wie Mama da ist für die Kinder, den Haushalt und auch das ganze sonstige Alltags-Gedöns.
Morgendliche Herausforderungen: Bei uns läuft’s Kacka!
Tja, und jetzt ist er weg. Und ich versuche mich im Fertigmachen beider Kinder am Morgen und höre mich in Dauerschleife betteln: „Bitte, bitte Stenz zieh‘ Dich weiter an, nicht nochmal ein kleines Nickerchen auf dem Parkett einlegen, Anziiiiiehen!“ Gleichzeitig entkleide ich Louloubelle, die heute morgen schon ganze Arbeit geleistet hat. Quietschvergnügt zeigt sie mir Ihr Tagwerk in Form einer übervollen Windel. Hier wäre der Mittermeiersche Ausspruch „Gudrun hol den Kärcher“ durchaus angebracht. Aber leider ist Papa weg und kann mir weder Kärcher noch sonstiges Säuberungs-Utensil reichen. Sehr schade. Also versuche ich meine Tochter von dem wild müffelnden Body zu befreien. Letzterer ist durch das morgendliche Geschäft schon sehr in Mitleidenschaft geraten. Just in dem Augenblick als auch ihre geringelten Löckchen durch das Auszieh-Manöver des Bodys, sagen wir einmal „beeinträchtigt“ werden, fällt mir der schöne Buchtitel ein: „Bei uns läuft’s Kacka“. Ja, und zwar so richtig! Unter tosendem Gebrüll dusche ich mein Baby, ermuntere den Stenz weiterhin endlich von den Schlafenden zu erwachen und werde, mit einem nervösen Blick auf die Uhr, leicht hysterisch. Ich brauche dringend einen Kaffee! Wie schön ist es doch, wenn der Mann morgens gut gelaunt und in wildem Aktionismus durch das Haus fegt, dabei singt und sich voll und ganz seines Sohnes annimmt. Aber Papa ist auf Reisen und ich muss das Kind alleine schaukeln – so wie Millionen von anderen Frauen tagtäglich. Also bloß keine Selbstmitleid!
Kollektive Fütterung mit den Kastelruther spatzen
Also im Sauseschritt die Unterzuckerung des einen Kindes stoppen und das andere Kind sekündlich dazu ermuntern, doch bitte ein bisschen mehr als nur eine Haferflocke zu essen. Dabei trällern mir bei der morgendlichen Fütterung die Kastelruther Spatzen ein schmalziges „Wenn wir erklimmen schwindelnde Höhen, …, Bergvagabunden sind wir“ entgegen und jodeln brodelnd vor sich hin. Und ich frage mich wieder einmal, warum die häusliche Akustik immer noch dem Diktat des Stenzes und Alexa unterliegt? Wie um Himmels Willen ist der Stenz an diesen folkloristischen Song geraten? Egal, ich weiß es nicht und für solcherlei Fragestellungen ist jetzt auch wahrlich keine Zeit. Denn es sind nur noch fünf Minuten bis Buffalo bzw. bis zur Schließung der Kindergartenpforte. Doch leider fällt dem Stenz genau jetzt ein, dass seine Zeitrechnung ohne den Aschermittwoch auskommt und er zukünftig jeden Tag zum Rosenmontag erklärt. „Ich will aber als Pirat gehen“ hallt es durch unser Haus. „Mir doch egal, dass Fasching vorbei ist! Wo ist meine Augenklappe? Maaaaami, wo ist meine Augenklappe?“ Ich werde zu spät kommen. In Windeseile und mit quietschenden Reifen fahre ich, den etwas nachlässig verkleideten Pirat zu seiner Kindertagesstätte und frage mich, wie wohl Alleinerziehende Morgen für Morgen mit nicht nur zwei, sondern gar drei Kindern überleben?
Abendliche Herausforderungen: Strategien heimischer Verbarrikadierung
Doch nicht nur der Morgen bereitet Kummer und Sorgen, auch der Abend ohne Mann birgt die ein oder andere Hürde, die es mit Bärenmut und finsterer Entschlossenheit zu bewerkstelligen gilt. Zwei Attribute, die mich leider so gar nicht charakterisieren. Denn ich bin ein neurotischer, panischer Angsthase mit einer flamboyanten Phantasie. Dabei nimmt meine Phantasie mit einbrechender Dunkelheit auf infantilste Weise inflationär zu. Da höre ich Schritte auf knirschendem Kies, da knackst es und knarzt es, da sehe ich Schatten und Gespenster. Und da ich eben ein klein wenig paranoid bin, beginne ich mit meinen abendlichen Sicherheitsmaßnahmen und der ein oder anderen Schutz-Vorkehrung: Zunächst illuminiere ich unser kleines Häuschen bis auf den letzten Halogen-Spot, den auch das hinterste Eck unseres Heimes zu bieten hat. Ich weiß, das ist nicht ökologisch. Aber darauf kann ich in meinem erhöhten Sicherheitsbewusstsein keine Rücksicht nehmen. Es geht ja schließlich um drei wehrlose Menschenleben – wobei zwei von ihnen ihre gesamte prächtige Zukunft noch vor sich haben! Man sieht ja bei Aktenzeichen XY wohin naives nächtliches Stromsparen führt. Nicht mit mir!
Stinke-Müll: die zukunftsweisende Alarmanlage
Dann stelle ich sämtliche Mülls (vor allem den stinkenden Biomüll, den ich noch vor der Abreise des Mannes mit Argusaugen bewachte und vor dem Entsorgen bewahrte) gemeinsam mit dem nicht minder miefenden Windelmüll vor unsere Haustüre. Die diebischen Elstern da draußen sollen ruhig sehen, dass es bei uns außer stinkenden Abfällen wenig zu klauen gibt. Danach wird die Haustür vierfach verriegelt. Anschließend decke ich schon einmal einen fürstlichen Frühstückstisch, der die gesamte Nacht hindurch ebenfalls staatsaktmäßig beleuchtet bleibt. Die Intention dieser ausgepufften Abwehrmaßnahme: Etwaige Eindringlinge erspähen vom Fenster den opulenten Frühstückstisch und denken sich: „Von diesen kleinen Tellerchen wird morgen früh in trauter Eintracht gespeist, da brechen wir mal lieber nicht ein.“ Genau, hier ist nämlich niemand verreist! Anschließend beginne ich mit meiner finalen Schutzmaßnahme: Ich wandle durch das Haus und zeige vor den verschiedensten Fenstern und natürlich auch auf unserer Terrasse meine furchteinflößende Präsenz. Gerne würde ich außerdem in die dunkle Stille hinausrufen: „Ich bin zu Hause und zwar die ganze Nacht und meine Kinder, die beißen und kratzen und sehr laut schreien können, ebenfalls!“ Ich lasse es dann aber doch lieber sein. Es könnte für das ein oder andere Herrchen und dessen Hund, die mit Vorliebe gemeinsam vor unserem Haus flanieren, verstörend wirken. Ach ja, und kurz vor dem Einschlafen, schreibe ich den Nachbarn natürlich noch eine kleine unverfängliche Nachricht mit der Bitte, ihr Telefon dicht neben dem Kopfkissen zu positionieren. Nur so für den Fall der Fälle. Falls ich nämlich bei einem möglichen Einbruch neben der Polizei auch noch eine starke nachbarschaftliche Schutz-Patrouille einberufen möchte. Und dann beginne ich mich unruhig auf die verwaiste Betthälfte zu rollen und sehne mich nach der baldigen Rückkehr unseres siamesischen Vierlings!
Bitte weniger xy ungelöst schauen und weiterhin die Situationskomik des Alltags (selbs)ironisch im Blog zur Freude der LeserInnen kommentieren 😉😉