Überlebens-Strategien für gestresste Mütter in Corona-Zeiten

Ich bin heute zum ersten Mal in meinem Leben in einer Tiefgarage stecken geblieben. Irgendwie in den Untiefen der automobilen Dunkelheit versackt. Ich kam einfach nicht mehr raus. Ist mir noch nie passiert. Muss an Corona liegen. Meine Nerven liegen blank. Habe ich doch tatsächlich das Tiefgaragen-Ticket verschlampt. Als ich mir dessen gewahr wurde, riss ich mir die Maske vom Gesicht, die ich heute schon mal probehalber ausführte und fragte den Stenz maximal ratlos: „Ja, was machen wir denn jetzt?“ Er entgegnete relativ indifferent: „Mama, woher soll ich das denn wissen!“ Eine andere Antwort hätte mich bei näherer Überlegung auch überraschen  sollen. Allerdings ersann die Tochter einen kreativen Plan: „Mama Bus fahren!“

Stuck in the Dark

Da aber leider gerade kein Bus zur Hand war, machte ich mich eiligen Schrittes auf zum Not-Knopf an der Tiefgaragen-Einfahrt und klingelte Sturm. Wieder ein absolutes Novum für mich. Habe ich noch nie zuvor gemacht. Nicht das Sturm klingeln, sondern dass an der Schranke mit dem Jenseits sprechen. Dabei befahl mir das Jenseits: „Bewahren Sie Ruhe!“ Während ich diese allerdings zunehmend verlor, meldete sich nach einer gefühlten Ewigkeit, diesmal live aus dem Off die Erlösung mit den Worten: „Gibt es ein Problem? Ok, dann komme ich mal schnell runter.“ Hach, was `ne Erleichterung, ich muss die Corona-Isolation nicht auch noch in der Düsterkeit bei Abgas-Mief fortsetzen. Während ich mir das so dachte, griff ich in meine Hosentasche und Abrakadabra, da war es, das verlorene und erlösende Ticket in die Freiheit. Yeah!

Fröhliche Garagen-Auszeit

Als ich die Geschichte später einer Bekannten erzählte, meinte sie ganz trocken, dass sich ihre Freundin seit Corona regelmäßig heimlich für ’ne halbe Stunde in ihre Garage zurückziehe. Quasi als Auszeit, um Mann und Kindern zu entfliehen. Vielleicht wäre das meine Chance gewesen. Andererseits, hatte ich die Kids ja auf der Rückbank. Aber vielleicht sollte ich diese Überlebens-Strategie in Corona-Zeiten zu meinen anderen dominanten Survival-Maßnahmen hinzufügen. Die da wären: Viel Rotwein, Peppa Wutz und das ganztägige Tragen von Ohropax. Dabei wirkt die dominante Strategie Ohropax in Verbindung mit Rotwein ganz besonders dämpfend. Fast wie eine interne und externe Schall-Isolierung. Eine Wohltat in bizarren Zeiten wie diesen. Außerdem überhört man mit den Stöpseln im Ohr die stinklangweiligen Dialoge zwischen George und Lucie Löffel, die aufgrund der Peppa Wutz Obsession unserer Tochter mittlerweile in Dauerschleife durch unser Wohnzimmer wabern. Wohltuend wirkt auch wildes, ungehemmtes Tanzen auf Party-Musik, um etwaige Spannungen, die sich in der Isolation mit Kindern und Mann leicht aufbauen, abzuschütteln.

Familien-Zusammenführung in der Kanalisation

Vor dem Tiefgaragen-Fiasko schüttelte ich morgens beim Tanzen allerdings nicht nur aufgestaute Aggressionen ab, sondern auch eine triefend nasse Ratte. Denn während ich mit dem Stenz versuchte, in tiefster Konzentration gepflegtem Homeschooling nachzugehen, übte sich Lou in Sachen Kreativität. Letztere wurde unserem Kind erst unlängst von unserer Nachbarin mit absolutem Kennerblick attestiert: „Die Kleine hat Phantasie“. Ja, das hat sie. Dabei mündet ihr Einfallsreichtum bisweilen darin, dass ich mich plötzlich genötigt fühle, den Klempner zu rufen. So hörte ich sie heute morgen auf dem stillen Örtchen laut und furios schimpfen. Und dass, während der Stenz und ich vollkommen versunken, einen lustigen „Homeschooling Pompom“ bastelten. „Böse Maus, mag dich gar nicht, du böse Maus!“ Als ich sie dann vom Klo hob, erblickte ich die weiße Kuscheltier-Ratte ihres Bruders in den Untiefen unserer Toilette. Warum sich der Nager den Zorn unserer Zweitgeborenen zugezogen hat, ist mir immer noch schleierhaft. „Will, dass Maus mit Pipi runtersaust!“ gab sie mir verschwörerisch zu verstehen. Hatte die Ratte sie beleidigt oder gar noch schlimmer, ihren Schladen (Schokoladen)-Proviant weggefuttert? Vielleicht ist unser Kind auch einfach nur ein empathisches Wesen und pocht in schweren Zeiten auf eine harmonische Zusammenführung der Ratten-Familie in den Tiefen der Kanalisation? Ich werde es wohl nie erfahren. Egal, ich rettete die Ratte und  gönnte ihr eine 90°C heiße Dusche in der Waschtrommel.

Fingernägel auf  Fußnägeln

Doch Lou ist nicht nur kreativ, sondern schon im zarten Alter von drei Jahren überaus schönheitsbewusst. So ertappte ich sie unlängst beim Versuch, meinen roten Nagellack auf ihre Lippen zu schmieren. Denn gerade in der Isolation scheint es ihr wichtig, sich nicht gehen zu lassen und mit purpurnem Mündchen zu glänzen. Aktionen wie diese lassen mich manchmal überlegen, ob ich vielleicht schon um 13 Uhr damit beginnen sollte, mir meinen Rotwein großzügig einzuschenken? Dann würde mich auch die Tatsache nicht aus der Bahn werfen, dass sich unsere Tochter gerade mit bloßen Händen Kakao in ihre Milch schöpft und ich könnte das ununterbrochene Gejammer, dass sie jetzt und sofort unbedingt Fingernägel auf ihre Fußnägel haben möchte, besser ignorieren. Denn nichts macht unsere Tochter glücklicher als Nagellack alias Fingernägel auf ihren Fußnägeln. Am besten in rot, wobei rosa geht auch. Dabei ist sie schon selig, wenn sie nur Menschen mit Nagellack erblickt. Meine beste Freundin zum Beispiel hat das Herz unserer Tochter im Sturm erobert, als sie sie in ihre Arme nahm, die in Händen mit perfekt manikürten Fingernägeln mündeten. Obwohl meine beste Freundin weit weg wohnt, spricht sie täglich von ihr. Genau wie von meiner „Schwägerin“, die ebenfalls ganz bezaubernde Hände ihr Eigen nennt. Auf die Frage, wen unsere Tochter denn mehr liebe, die Mama oder die Freundin meines Bruders kam vor ein paar Tagen wie aus der Pistole geschossen „Melanie, weil sie ist so schön“. Danke für die Blumen, es geht doch nichts über charmante Komplimente an die eigene Mutter. Aber gut, ein Kind braucht Rollen-Modelle. Vielleicht wird es später ja doch noch Mutter Theresa. Und bis dahin, schenke ich mir mal ein Glas Rotwein ein!

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