Ich liege wie eine leblose Öl-Sardine in einer lauwarmen Badewanne und fühle mich schlapp. Das ist eigentlich untertrieben. Schlapper oder noch besser am schlappsten wäre die richtige Gemütsbeschreibung. Dabei hatte ich mir für meine Badewannen-Auszeit so viel vorgenommen: zwei gute Bücher und drei Zeitungen lagen oberhalb der Armaturen und warteten darauf, von mir verschlungen zu werden. Denn eine Stunde nur für mich musste doch sinnvoll genutzt werden. Und jetzt liege ich hier und staune über mein ehrgeiziges Vorhaben in Anbetracht der dicken Wälzer, die mir von oben herab zuzwinkern. Doch meine Arme sind so matt, dass ich es einfach nicht schaffe, sie anzuheben und mir eines der Bücher zu angeln.
Das Baby, mein tägliches Workout
Schade. So liege ich hier und entscheide mich für eine regungslose Kontemplation. Die soll ja auch gut sein fürs Hirn, die Kreativität und so. Dabei überlege ich, ob ich meine Arme oder meinen Rücken zum Helden meines Körpers küren soll. Denn beide leisten, der gefühlten Mattigkeit nach zu urteilen, seit Monaten Schwerstarbeit. Unser Baby entwickelt sich nämlich ganz prächtig. So prächtig, dass ich von vielen Seiten immer wieder unfreiwilligerweise Diät-Tipps für unseren Säugling entgegennehmen darf. So à la „gib dem Kind doch mal mehr Wasser und nicht so viel Milch“. Kürzlich wurde ich im Supermarkt sogar von einem besorgten Rentner angesprochen, dass Adipositas bei Babys gar nicht gesund sei. Ist der irre? Auch wenn ich diese gut gemeinten Ratschläge weitestgehend ignoriere, ertappe ich mich manchmal bei der Frage, wann unser Baby endlich laufen lernt? Denn das stete Rumgeschleppe von 12 kg treppauf und treppab macht mich mürbe. Ich brauche kein „Mami Fit-Training“ oder Fitness-Studio – das Baby ist mein Workout. Kürzlich sendete mir meine beste Freundin ein Bild über das ich bis heute staune. Denn plötzlich habe ich Oberarme, die Rambo ernsthaft Konkurrenz machen. Muckis über Nacht sozusagen. Dabei nimmt mein Gewicht im Gegensatz zum Mucki-Umfang leider konstant ab. Ich weiß, dieser Satz bringt mir nicht unbedingt Sympathien ein. Aber seit ich stille wie ein Weltmeister wird mein Baby immer prächtiger und ich immer kümmerlicher.
Mein Mann – ein Strich in der Landschaft
Sogar mein Mann wird aus Solidarität weniger. Denn er macht eine Diät! Daher gibt es bei uns im Haus seit einigen Wochen nur noch ein Thema, nämlich seine unermesslichen Abnehmerfolge. So befürchtet der Mann seine baldige Vaporisation. Mit ernster Miene geht er heute Morgen seinen Kleiderschrank durch und teilt mir beinahe erschüttert mit, dass keine seiner Hosen mehr passen und er zur morgigen Hochzeit nichts außer einer senffarbenen Cordhose aus dem vorigen Jahrhundert hätte, aber die passe ihm ausgezeichnet. Ich erschauere ebenfalls. Seit er abnimmt hat er ein ungebremstes Mitteilungsbedürfnis und gibt jedem, der nur ein wenig Speck um die Hüften trägt, ungefragt Tipps zum Fasten. Fast jeder Satz von ihm beginnt mit „damals, als ich noch dick war“. Das Baby hat sogar gelernt zu klatschen, da wir seinem Vater, der droht bald in den Weiten des Universums unterzugehen, morgens, mittags und abends Beifall zollen. Während der Wellness-Papa versucht abzunehmen, versuche ich zuzunehmen. Dieses diametrale Ess-Verhalten birgt leider großes Konfliktpotenzial. Als ich beispielsweise mit Tüten von Süßigkeiten, Sahnepuddings und anderen nach Fett triefenden Produkten nach Hause komme, droht an unserem heimischen Herd eine Eskalation. „Wie kannst Du nur so herzlos sein und dieses ganze Zeug in unsere Schränke stopfen und mich immer wieder in Versuchung führen? Du brauchst ein geheimes Lager nur für Dich!“ Und auch am Abend, wenn wir ermattet vor dem Fernseher kollabieren und ich mir erlaube, den Kollaps mit einer Tüte Chips lautmalerisch zu untermauern, fängt mein kalorienzählender Mann Feuer und stapft wutentbrannt von dannen. Das einzig Gute an seiner Diät ist, dass ich ihn mit Sätzen wie „Jeder Gang macht schlank“ zu noch mehr häuslicher Aktivität motivieren kann. Das kommt meiner Schlappheit entgegen – wie wunderbar!