Happy Auslauf

Unser Baby ist nun zehn Monate alt und ich habe beschlossen, mal wieder was für mich zu tun. Denn nach zehn Monaten ist auch mal genug mit Altruismus und so. In den letzten Monaten beschlich mich hin und wieder das Gefühl, dass manch eine glückliche Freiland Henne bei uns hier auf dem Land mehr Auslauf am Abend hat als ich. Wer jetzt allerdings denkt, ich habe plötzlich beschlossen, die Korken knallen und die Sau rauszulassen, den muss ich leider enttäuschen. Ich gehe nur zum Sport. Nicht etwa weil ich Sport so liebe oder auch nur im entferntesten gerne mag.

Yoga gegen Rücken

Wer mich kennt weiß, dass ich eher nicht so der sportive Typ bin. Meine Idee zum Sport zu gehen ist eher aus der Not heraus geboren, weil ich in letzter Zeit ziemlich oft Rücken habe, ach was sage ich, ich hab’ Rücken, Nacken und Arme. Vor allem Arme hab‘ ich, aber so was von! Und weil ich es diesmal erst gar nicht so weit kommen lassen will wie damals beim Stenz, als mein Orthopäde schon befürchtete, ich würde ihn stalken und ich ein Dauer Abo beim Physiotherapeuten mein Eigen nennen durfte, gehe ich heute Abend das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder zum Yoga. Dabei gehe ich nicht zu irgendeinem hippen Yoga-Kurs, der mega angesagt ist und bei dem die Sportkleidung minutiös und in stundenlanger Akribie zusammengestellt werden muss, damit man bei den unglaublich trendigen Mit-Yogis, nicht auffällt. Nein, ich gehe zum Yoga in unserem Dorf-Turnverein. Diese Gruppe habe ich, der Turn-Muffel mit ausgeprägter Sport-Phobie, mit großer Sorgfalt und Bedacht gewählt. Die Yoga Gruppe ist perfekt für mich. Zähle ich nämlich mit meinen knapp 40 Jahren zu den Jüngsten, kurioserweise allerdings auch zu den Unbeweglichsten.

Mein Stöhnen, der mahnende Begleiter jeder Yoga-Stunde

Selbst meine siebzigjährige Sitznachbarin mit Hüftleiden und Arthrose führt den Sonnengruß im Vergleich zu mir wie eine beschwingte Bewegungsgöttin und Luft-Akrobatin durch. Dabei habe ich das Gefühl, dass ich eine Art Motivator für all meine betagten Yoga-Mitstreiterinnen bin, denn durch mich, den unbeweglichen Jungspund, fühlen sie sich noch vitaler, energetischer und vor allem extrem sportlich. Ich bin sozusagen der Seelen-Tröster dieser Gruppe, der die Gesetze von Alter und Schwerkraft triumphal widerlegt. Denn ich beginne jede Stunde mit dem etwas verschämt vorgebrachten Satz: „Ich bin so schlapp und weiß noch nicht so genau, ob ich alle Übungen heute so voll in aller Intensität mitmachen kann.“ Daraufhin schauen mich ca. 18 Augenpaare teilweise mit grauem Star mitleidig, aber trotzdem aufmunternd an. „Puh, geschafft“, alle wissen Bescheid und sind vorbereitet als ich nach dem fünften Mal des imaginären acht in die Luft Zeichnens kraftlos und quietschend auf meine Yoga-Matte sinke. „Meine Arme sind einfach so matt“, stöhne ich. Und meine fidele, vorlaute und mir zutiefst sympathische Sitznachbarin Sylvie ruft mir augenzwinkernd zu: „Ach Petra, was habe ich dein Stöhnen vermisst!“ Da kann ich ihr noch so oft sagen, dass ich nicht Petra heiße, für Sylvie bleibe ich stets die stöhnende, schnaufende und motorisch etwas zurückgebliebene Petra.

Salamander auf Stein oder besser Salamander auf Kaktus

Und auch im Verlauf der weiteren Stunde breche ich noch zahlreiche Yoga-Übungen vorzeitig ab und sehne mich nach der entspannenden Abschluss-Meditation und dem kollektiven, Kraft bringenden Ohm zum krönenden Abschluss. Doch vor dem Ende der Stunde stehen noch diverse Partner-Übungen auf dem Programm. Dabei küre ich die Rücken-Einheit „Salamander auf Stein“ zu meinem ganz persönlichen Favoriten. Die lustige Sylvie, die trotz ihres Renten-Alters immer in stylisch- goldenen Ugg-Boots wandelt und auch die coolsten Leggings aller Zeiten ihr eigen nennt kommt fröhlich auf mich zu, da sie mich den Bewegungs-Gehandicapten zu ihrem glücklichen Partner auserkoren hat. „Los Petra, lass’ mich Dein Salamander sein“ wirft sie mir mit einem lauten Lachen krachend entgegen und setzt sich rücklings auf meinen Rücken, während ich bewegungslos in der Pose des „Kindes“ verharre und kaum zu atmen wage. Denn Sylvie ist zwar schlank, aber meine geschundene Wirbelsäule, die  durch das doch recht propere Baby ziemlich angeschlagen ist, verzeiht mir momentan leider keine überflüssigen Kilos, vor allem nicht, wenn diese unwirsch auf sie drauf plumpsen. „Oh mein Gott, Petra, Du hast ja so einen spitzen Rücken, bei dir müsste die Übung eher Salamander auf Kaktus heißen, das ist ja unerträglich! Ne, Petra, ich kann die Übung mit Dir nicht machen, da muss ich leider abbrechen!“ verkündet Sylvie lautstark in die  Gruppe hinein in meine Richtung und bittet die Yoga-Lehrerin ihr korrespondierender Stein zu werden. Wieder schauen mich ca. 18 Augenpaare voller Anteilnahme und Barmherzigkeit an. Zugegeben etwas betrübt, dass ich selbst als Stein nichts tauge zähle ich die verbleibende Zeit bis ich mich endlich schnarchend, im Kerzenschein umhüllt von Engelsduft, ins Land der Träume begeben kann. Vielleicht sollte ich das nächste Mal in meiner persönlichen Auszeit doch besser die Korken knallen lassen?

2 Antworten auf „Happy Auslauf“

  1. Liebe Petra,

    mit Dir würde mir Yoga auch Spaß machen.
    Gib nicht auf, irgendwann laufen die Kleinen auf eigenen Beinen und Du wirst wieder ganz die alte Sportskanone sein.

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