Glücksmomente

Ich mag eigentlich keine rührseligen, kitschigen Texte, in denen Mütter ihre Kinder in den Himmel loben und jeden Pups des eigenen Fleisches und Blutes sezieren, bestaunen und mit inniglicher Liebe für die Nachwelt festhalten. All, denjenigen, denen es ähnlich geht wie mir, rate ich daher vom Lesen des nachfolgenden Textes dringend ab! Denn er ist vor allem für meine Kinder geschrieben. Wenn sie mich irgendwann einmal fragen: „Wie war das denn damals so mit uns?“ Dann werde ich mich verrunzelt zurücklehnen, versonnen lächeln und sagen: „Das war alles ziemlich schön!“

Das Baby wird Loulotte

Ich bin ein larmoyantes Meckermaul, obwohl ich nichts zu meckern habe. Denn ich lebe mit zwei wunderbaren kleinen Geschöpfen und einer großen, nicht minder wunderbaren Kreatur, an einem paradiesischen Fleckchen Erde. Meine Kinder amüsieren mich und rühren mein Herz. Denn während ich, seit ich Mama bin, hin und wieder etwas abschlaffe und matschig in der Gegend umherlaufe, sind meine Kinder ein Quell unendlicher Energie, Freude und die personifizierte Lebenslust. Vor allem das Baby lief in den letzten Monaten zu Höchstformen auf. Quasi von null auf hundert. Von Geburt an, mit einer außergewöhnlichen Haarpracht gesegnet, besitzt meine Tochter mit ihren 14 Monaten einen so dichten braunen Schopf, dass es Martin Schulz vor Neid die Tränen in die Augen triebe. Und auch Dieter Bohlens Beißerchen würden durch das weiße Lachen meines Zweitgeborenen in den Schatten gestellt – und das obwohl ihr Lachen bislang noch eckzahnlos erstrahlt (jedenfalls unten). Daher ist es nun an der Zeit, dass das Baby offiziell den Säuglings-Status verlässt und die Metamorphose zu Loulotte oder Fräulein Lou (ich bin mir noch unschlüssig) vollzieht. Fräulein Lou nutzt ihre kleinen Hauer nicht nur, um sich hin und wieder gegen die tätlichen Angriffe und Liebesbekundungen des Stenzes zu verteidigen, nein sie macht von ihnen in erster Linie Gebrauch, um zu essen – und zwar mit großem Entzücken.

Essen macht Freude Punkt!

Während ich gestern Abend meine Phantasie vollends ausschöpfte und Feen, Zauberer und sonstige Fabelwesen dazu einlud, eine lustige Rutschpartie auf einem Marmeladenbrot die Speiseröhre des Stenzes hinunterzurasen, nutzte Fräulein Lou den unbeobachteten Augenblick ganz für sich: Sie schnappte sich den gesamten Camembert, der das abendliche Buffet komplettierte und biss herzhaft hinein. Allerdings bemerkte ich diesen Umstand erst, als der halbe Camembert bereits frohgemut vertilgt war. Aufgrund ihrer Vorliebe für französischen Weichkäse und feinsten Wachholder-Schinken nennt sie ihr Opa auch liebevoll „Schinke-Marie’sche“ (hessisch ausgesprochen!) oder „Camemberta“. Denn während mein Sohn nur zu speisen gedenkt, wenn ich ihm vorlese oder seltsame Geschichten erzähle, schlägt Fräulein Lou vollkommen nach ihren Eltern und isst mit großer Wonne, was ich unglaublich sympathisch finde. Vor allem, wenn meine Tochter beim Verzehr von leckeren Köstlichkeiten mit einer Inbrunst „mmmmhhh-Laute“ aus den Tiefen ihrer kleinen verzückten Seele ertönen lässt. Sie ist sozusagen in das perfekte Umfeld hineingeboren. So gerät sie auf unseren Wellnessreisen immer wieder vor kulinarischer Begeisterung in Ekstase. Ihr beim wonniglichen Essen zuzuschauen ist einfach großartig! Und auch wenn sie vor Glück brummt wie ein Bär bin ich kurzzeitig versucht, mit einzustimmen und das Lied der glücklichen Grizzlys zu grummeln. Außerdem berührt es mich zutiefst, dass alles, was Loulotte liebt, bislang noch „Mama“ heißt. Ob Papa, der Stenz, ihre heißbegehrte bunte Blockflöte, die kleine Schlange aus der Holzdose, der Wachholder-Schinken – all das verdient die wunderbare, oft leicht nasal aber immer flammend hervorgebrachte Bezeichnung „Mama, ohhh!“

Über fröhliche Cowbäuerinnen und Fahrten in der Waschmaschine

Doch am schönsten ist es, die beiden Geschwister in trauter Zweisamkeit zu beobachten und dabei genaue Tätigkeitsbeschreibungen à la : „Mama, wir spielen Cowbäuerin und Kuh. Loulotte ist die Cowbäuerin und ich die Kuh.“ entgegenzunehmen. Aufgrund des freudetaumelnden Gesichtchens von Loulotte, die rittlings auf dem Bruder sitzt, bin ich zeitweilig versucht, die Berufsbezeichnung „Cowbäuerin“ in den Jobcentern dieser Welt als neue, Glück bringende, rurale Berufsbezeichnung zu propagieren. Überhaupt ist der Stenz seinem kleinen Geschwisterchen gegenüber meist (nicht immer) sehr fürsorglich eingestellt. Vor ein paar Wochen weinte er gar bitterlich und rief mich in vollkommener Verzweiflung, ich solle unverzüglich seine Schwester retten. Diese sei nämlich gerade dabei, frohen Mutes die Waschmaschine zu besteigen und eine quirlige Fahrt in der runden Trommel zu absolvieren. Auch wenn Loulotte gemäß der Stenz’schen Einschätzung hin und wieder „abgöttlich“ stinke, habe sie ein derart burschikoses und unsanftes Reinigungsritual doch nicht verdient und ich solle sie vor dem Verderben bewahren.

Tumber Tor, such’ mich!

Denn mit wem solle er sonst in Zukunft wohl verstecken spielen? Lediglich seine Schwester scheint in unserer Familie eine echte Spürnase zu sein. Während der Mann und ich wie tumbe Tore in unserem Wohnzimmer umherirren und erst nach einem halbstündigen Such-Marathon den Stenz aus seinem präferierten Versteck, hinter dem Vorhang hervorzaubern, ist seine Schwester weitaus zielstrebiger. Außerdem lässt sie sich im Moment des Auffindens, so fabelhaft erschrecken. Auf das große „WUAAAHHH“ des Stenzes folgt immer eine nicht enden wollende Lach-Salve von Fräulein Lou. Überhaupt ist Loulotte ein sehr solidarisches Wesen: Sobald der Stenz und ich lachen, freut sie sich aus purer Solidarität mit, egal um was oder wen es geht – selbst dann, wenn sie im Zentrum des Gelächters steht. Aber wehe der Stenz weint, dann ist Gefahr in Verzug und es wird nach Leibeskräften, mit Vorliebe in einer sehr hochfrequenten Tonlage, mitgebrüllt.

Hmm, lecker Papilloten

Man sagt ja immer, die Welt mit Kinderaugen zu betrachten sei so unglaublich bereichernd. An diesen Spruch dachte ich auch heute Morgen als Loulotte mit überbordender Neugierde in unser grünes Badewannen-Krokodil biss und sich anschließend schlapplachte. Wofür das in ihren Augen wohl gut sei? Als Anti-Ausrutsch-Schutz jedenfalls nicht. Und auch die bunten Papilloten, die sie vor dem Vergessen bewahrte und aus den Untiefen unseres Badezimmerschrankes hervorzog, mussten sich erstmal eines genauen Beiß-Testes unterziehen. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schmeckte das Badewannen-Krokodil wesentlich besser.

Gefühle hoch hundert

Ich habe bei meinen Kindern immer irgendwie das Gefühl, dass sie ihre Emotionen in potenzierter Form erleben: Freude, Trauer, Neugierde und Stolz hoch hundert oder so. Allein am Abend ist Fräulein Lou derart erbost, wenn ich es wage, nach zehn Minuten der Streicheleinheiten ihres Hinterköpfchens kurzzeitig zu pausieren. Denn sie liebt es, platt wie eine Flunder auf dem Bauch liegend, wohlig in den Schlaf gestreichelt zu werden. Aber wehe ich lege eine kleine Pause ein, dann wirft sie sich mit so viel Pathos wieder auf die Matratze ihres Bettchens und verlangt nach der Fortsetzung der angenehmen Kopfmassage. Als Dank, schläft sie dann auch ruckzuck ein. Ein Umstand, den ich fast noch schöner finde als ihr freudvolles Essen.

Der Augenstern schiebt den „römischen Streitwagen“

Selten zuvor habe ich so viel Stolz in den Augen funkeln sehen, wie bei meinen Kindern. So schiebt Fräulein Lou ihren Bruder mit einem fast berstenden Selbstbewusstsein in ihrem kleinen blauen „Streitwagen“ quer durch unser Wohnzimmer. Stolz wie Bolle ist sie auch, wenn sie an beiden Händen vom Stenz gehalten, ihre ersten Schritte durch das Kinderzimmer tapst. Als Dank wird der Stenz anschließend an der Wange gestreichelt, was den großen Bruder wiederum zu den Worten verleitet: „Ich liebe Dich so sehr mein Augenstern.“

Ich weiß, dieser Text ist eine Zumutung und Sie sind in den letzten fünf Minuten durch triefende Inniglichkeit gewatet. Aber ich habe Sie ja vor der Lektüre gewarnt!

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