Wann ist denn endlich wieder Wunschmond?

Diese Frage stellte mir kürzlich meine Tochter. Und sie meinte damit, wann denn endlich wieder Vollmond sei. Denn bei Vollmond wünschen wir uns immer so ein bis zehn Kleinigkeiten – eben das, was uns so einfällt. O.k., manchmal sind es auch zwanzig Kleinigkeiten. Und sie hat Recht, es wäre tatsächlich schön, wenn es bald wieder soweit wäre. Denn ich brauche dringend Urlaub, den ich mir jetzt gerne auf der Stelle wünschen würde.

Reif für die Insel

Warum mir der Sinn so nach Urlaub steht? Ach, da fallen mir viele Gründe ein. Zunächst einmal die Tatsache, dass wir ein Haus bauen und sich der Spruch „Bauen ist Grauen“ quasi täglich bewahrheitet. Dann wäre da noch die Petitesse, dass mein heiß geliebtes Uralt-Auto am Wochenende unter borstigem Gehoppel und miefigen Gestankseinlagen seinen Geist aufgab und ich mich nun mit Pferdestärken und Kraftstoffverbrauch etwaiger Neuwägen herumschlagen muss. Grauenvoll. Ach ja, und Corona, diese miese Socke, die mich zum Multitasker werden ließ, gibt es ja auch. Und last but not least wäre da noch der Geburtstag des Stenzes als Grund für meine Urlaubsreife.

In der Feier-Hölle

Ich befinde mich nämlich gerade mittendrin in einem scheinbar nicht enden wollenden Feierzyklus. Als Auftakt der Festlichkeiten kündigten sich letzte Woche beide Großeltern-Paare (vollkommen geimpft wohlgemerkt) zu Besuch an. Und ich fühlte mich im Vorfeld wie der Chefkoch einer Großküche. Leider nur ohne Sous-Chef, Küchenjunge oder sonstiger Küchen-Crew. Es gab da nur die Küche und mich. Eine nicht wirklich erquickliche Kombination. Doch ich meisterte die Herausforderung bravourös und wirbelte mit Töpfen, Pfannen und Kuchenblechen so virtuos umher, dass es mir tatsächlich gelang, vier ansehnliche Kuchen und drei würzige Hauptgerichte aus meinem nicht vorhandenen Küchen-Repertoire an nur einem Tag hervorzuzaubern. Ich kam mir vor wie ein Magier und staunte selbst über diesen faszinierenden kulinarischen Output, den ich an dieser Stelle nochmals wiederholen muss: Drei Kuchen und vier Hauptgerichte an nur einem Tag! So etwas hätte ich mir, dem vollkommen unambitionierten und untalentierten Küchen-Zombie, für den das Zubereiten eines Salates bereits höchste Kochkunst darstellt, nie und nimmer zugetraut. Allerdings erschöpfte mich dieses gastronomische Herumwirbeln so sehr, dass mir schon vor den Feierlichkeiten die Puste ausging und mir der Sinn nach einem einjährigen Erholungsschlaf stand. Eine Verschnaufpause war aber leider auch nach Verlassen der Großfamilie nicht in Sicht.

Let’s Mini-Party

Im Gegenteil. Stattdessen stand erst einmal eine der vielen kleinen Mini-B-Day-Partys auf dem Programm. Denn zu Corona-Zeiten hat Frau das Vergnügen, nicht nur eine Geburtstagsparty, sondern unendlich viele Ehrentags-Festlichkeiten für den geliebten Nachwuchs zu zelebrieren. Welch eine Freude, welch ein Genuss! So kamen heute die ersten beiden guten Freunde des Stenzes zu Besuch. Ein eingespieltes Trio bezaubernder junger Männer, die mit ihren Hover-Boards durch die Straßen fegten und ihre selbst bemalten Tatoos stolz zur Schau trugen. Glücklich servierte ich am Abend mit den Worten, „Jungs es gibt Essen!“ eine große Vielfalt an vitaminarmen Hot-Dogs. Allerdings hielt sich die Euphorie am dargebotenen Mahl in Grenzen. Der Grund dafür war wohl nicht nur die vorangegangene Kuchenschlacht, sondern auch etliche Fruchtgummis und Schoko-Riegel, die den Glucose-Spiegel der drei Feiernden in schwindelerregende Höhen schellen ließ. „Ich habe eigentlich gar nicht mehr so viel Hunger“ verkündete mir einer der beiden Partygäste etwas bleichgesichtig. „Ach komm, ich habe für jeden von Euch mindestens drei Hot Dogs, das schafft ihr doch locker.“ entgegnete ich motivierend. Mitnichten, nach einem war Schluss. „Aber so ein kleines Mohrenkopf-Wettessen, das bekommt ihr noch hin, oder? „Ja“, antworteten mir alle drei unisono aber doch etwas müde lächelnd. Anschließend stürzten sie ihre Nasen mit dem ihnen verbliebenen Pathos in die weiße Schaumschicht. Nach drei Minuten hatten sie es vollbracht und ihre Teller waren leergefegt. Allerdings fiel einer der drei bis zum Hals Tätowierten anschließend sackartig vom Stuhl und legte sich bäuchlings auf unseren Fußboden und jammerte „Oh mir ist so schlecht. Ich habe gerade meinen Rülps verschluckt und jetzt tut mir mein Bauch so weh.“ Man lernt nie aus. Ich musste 43 Jahre alt werden, um zu erfahren, dass man einen Rülps versehentlich verschlucken kann und anschließend von schlimmen Bauchkrämpfen geplagt wird.

Die Blitz-Genesung

Der Mann flüsterte mir beim Anblick des maladen Patygastes ins Ohr „Oh Gott, hoffentlich kotzt er uns nicht gleich ins Wohnzimmer, er wird doch in 10 Minuten abgeholt, er soll zu Hause kotzen.“ Den Jungs rief er ermunternd entgegen „Ach, das wird schon wieder, geht doch ein bisschen raus an die frische Luft. Setzt Euch auf die Terrassen-Bank und genießt die schöne Abendstimmung.“ Dabei lachte er verschmitzt der dunkelblauen Gewitterwolke entgegen, deren schwarzer Bruder uns vor zehn Minuten noch mit einem erfrischenden Hagelschauer und starken Windböen verzückte. „Nein, bei dem Wetter gehen wir nicht raus.“ ließ der Stenz mit entschiedener Miene verlauten. „Wir lassen das Turbo-Auto die Kellertreppe runterflitzen.“ Das hörte sich für uns ebenfalls vielversprechend an – denn auch hier galt die Devise: Aus den Augen aus dem Sinn. Mit diesem Gedanken biss ich selig lächelnd in das wabbelige Weizenmehl-Brötchen. Sogar der magenkranke Freund trabte in gebückter Haltung gen Untergrund, um das ferngesteuerte Supervehikel in lautstarker Aktion zu erleben. Ich wertete dies als gutes Zeichen für seine schnelle Genesung.

Ohnmächtig im Keller

Doch wurde ich bald eines Besseren belehrt. Denn gerade mittendrin im genüsslichen Hot-Dog Intermezzo brüllten mir zwei der drei Jungs atemlos den bedeutungsschwangeren Satz entgegen: „Mama, komm schnell, er liegt ohnmächtig im Keller.“ Und schwupp war er weg, der leise Anflug guter Laune und meine Freude darüber, dass ich mich auf der Zielgeraden befand und das Ende der heutigen Festlichkeiten zum Greifen nah war. Denkste, dachte das Schicksal und lachte sich ins Fäustchen. Die erdbebengleichen Buchstaben „OHNMÄCHTIG“ hatten sich noch kaum zu einem Wort in meinem Kopf formiert und schon war ich mit sausendem Herzen, jeweils zwei Treppenstufen auf einmal hinunterspringend, im Keller-Bad angelangt. Und tatsächlich, dort lag er regungslos. Der eben noch so muntere kleine Geselle. Ich war gerade eine Haaresbreite davor, bei diesem jämmerlichen Anblick ebenfalls zu Boden zu sinken als mir ein schallendes Gelächter des Trios-Infernale entgegenschallte. Ich sah nur ihre furchterregenden Tätowierungen und dachte: „Was für eine Teufelsbrut! Wann ist denn endlich wieder Wunschmond?“