Kindergarten-Eingewöhnung ein Klacks?

Als ich noch kinderlos war, hörte ich immer wieder von Eltern, die ihre Sprösslinge schon im zarten Säuglingsalter in die Kita gaben. „Die brauchen das zur Entwicklung ihrer Sozialkompetenz“. „Klar“, dachte ich mir. „Die haben recht“. Und war den Eltern sehr dankbar, dass auf diese Weise eine neue Generation an empathischen und im sozialen Miteinander bestens geschulte Menschen heranreiften.

Und auch später als wir stolze Eltern des Stenzes wurden, verschwendeten wir an etwaige Eingewöhnungs-Procedere keinen einzigen Gedanken. Das würde schon irgendwie ruckizucki über die Bühne gehen. Dass bei unseren Kindern irgendwie so gar nichts ruckizucki über die Bühne geht, daran dachte ich erst als ich mich auf einem Miniatur-Stühlchen an der Türschwelle zum Eingang des „Bienenstocks“ wiederfand und ein schreiender Stenz sich an mein Bein klammerte, um sirenenhaft mit den Worten aufzuheulen: „Mami, lass mich hier bloß nicht alleine zurück“. Für Außenstehende hatte diese Szene etwas Skurriles. Das Gebaren unseres Stenzes hätte den Eindruck vermitteln können, dass ich ihn so mir nichts dir nichts in die Obhut wilder Kannibalen geben wollte. Doch mitnichten. Behutsamer als wir hätte man sich kaum an das Thema „Kinderbetreuung“ heranpirschen können. So gönnten wir dem Stenz eine quasi dreijährige Akklimatisierung an diese Welt. Nicht, dass wir es nicht schon mit 16 Monaten versucht hätten, ihn in einer Kita das ach so wichtige Sozialverhalten zu lehren. Doch just nach der ersten Woche der Eingewöhnung schnappte sich der Stenz etwas ganz Fieses auf, wodurch wir uns gezwungenermaßen plötzlich mit einem 14tägigen Krankenhausaufenthalt konfrontiert sahen. Das Projekt Kita war somit kläglich gescheitert. Und als Freiberufler konnten wir es uns glücklicherweise erlauben, für die ersten drei Jahre im Leben unseres Stenzes die Nummer eins zu sein.

Jetzt ist Schluss mit lustig

Doch nun war Schluss mit täglich organisierten vormittäglichen Playdates und häuslicher Kinderbespaßung rund um die Uhr. Drei Jahre waren genug. Als Kindergarten hatten wir uns, wie wir fanden, den entzückendsten Ort von allen ausgesucht. Waldtage, Kutschfahrten, Projektwochen, hier spielte sich „Edutainment“ auf allerhöchstem Niveau und liebevollster Kleingruppenbetreuung ab. Ganz großes Kinderkino also. Der Ansturm war dementsprechend enorm. Um die Chancen für die Aufnahme in diesen kleinen elitären Kreis der glückseligen Kinder zu erhöhen, erstellte ich sogar ein mehrseitiges Bewerbungs-Dossier, das der Anwartschaft für einen mittleren Management-Posten alle Ehre gemacht hätte. Als wir dann die Nachricht der Aufnahme in diesem „Place to be“ für alle Drei- bis Sechsjährigen erhielten, lagen wir uns freudestrahlend in den Armen. So begannen wir dem Stenz vom Leben als Kindergartenkind vorzuschwärmen. Und da wir seinen zukünftig neuen Alltag in den schillerndsten Farben ausmalten, sahen wir die einzige Herausforderung für die kommenden drei Jahre im frühen Aufstehen begründet. Denn mit zwei Langschläfer-Kindern gesegnet und als Selbständige, erschien uns ein Wake Up Call um 8 Uhr als wahre „Challenge“. Doch das frühe Aufstehen als einzigen Stolperstein zu sehen, war eine optimistische Fehleinschätzung.

Der Mann, der beste Freund des Stenz

Der Mann verkündete überall in unserem Freundeskreis, dass er die Eingewöhnung seines Sprösslings selbst in die Hand nehmen wolle. Seiner hochschwangeren Frau wolle er das frühe Aufstehen nicht zumuten. Wie äußerst chevaleresque, dachte nicht nur ich, sondern auch all meine Freundinnen. Und ich wurde wieder einmal darin bestätigt, dass ich mir den feinsten aller Männer als Vater meiner Kinder ausgesucht hatte. Anfang September war es dann so weit: voller Elan und mit geballtem Enthusiasmus verabschiedeten sich der große und der kleine Mann Richtung Kindergarten. Die ersten drei Tage konnte man mit viel Wohlwollen dann durchaus als Erfolg verbuchen. Denn man hatte sich ja schon auf ein Schatten-Dasein des kleinen Stenzes eingestellt. Solange mein Mann also in unmittelbarer Nähe höchstens 20 cm rechts, links oder hinter ihm weilte, empfand der Stenz seine neue Spiel-Destination als großartigen Spaß. Doch wehe, mein Mann erlaubte sich, sich beim benachbarten Bäcker zu stärken. Dann brach Geschrei aus. Am vierten Tag der Eingewöhnung unterstellte man unserem Stenz so viel Mut, dass mein Mann die Erlaubnis erhielt, sich vor den Kindergartentoren ein wenig die Beine zu vertreten. Er lief hin und her, her und hin und beglückwünschte sich nach vier Tagen Kindergarten-Haft zu seinem Freigang. Als er dann wieder die Herberge bunter Perlen, Stofftierchen und Puppenecken betrat, wartete dort nicht nur ein vollkommen aufgelöster und weinender Stenz, sondern auch eine von einer anderen Mutter alarmierte Kindergärtnerin. So wurde der Mann, der das Haus nie ohne seine schwarze Umhängetasche verließ, von einer verantwortungsbewussten Mutter, als höchst suspektes Objekt eingestuft. Besagte Mama hatte meinen Mann wohl bei seinem wirren Hin und Herlaufen am Eingang des Kindergartens observiert und als irren Sittenstrolch mit schwarzer Tasche entlarvt. Schon etwas missmutiger als die Tage zuvor, ob der hanebüchenen Verdächtigung kamen mein Mann und der Stenz von ihrer Kindergarten-Mission nach Hause. Auf meine freudige Frage „Und mein Engel, wer war denn heute im Kindergarten dein bester Freund?“ antwortete der Stenz wie schon Anfang der Woche etwas einsilbig „Der Papa“. Doch wie sich herausstellte, sollte die Stimmung am Ende der Woche noch tiefer in den Keller sinken. So war für Freitag ein unterhaltsamer Ausflug auf den Kartoffelacker geplant. Wieder mit seiner schwarzen Umhängetasche bewaffnet zogen der Mann und der Stenz von dannen gen Knollenwurzelfeld. Die Begeisterung meines Mannes hielt sich schon im Vorfeld in Grenzen. Nachdem beide Männer mit einer zweistündigen Abwesenheit zu Hause geglänzt hatten, kehrte der eine brüllend und der andere im höchsten Maße griesgrämig von ihrer misslungenen Agrar-Exkursion heim. Der eine griesgrämig, weil er viel zu lange zum Rumstehen auf dem Kartoffelacker verdammt wurde, der andere brüllend, weil er noch viel länger aber nicht ohne Begleitung seines Lieblingsfreundes auf dem Kartoffelacker rumstehen wollte.

Mach Dich unsichtbar!

Nach diesem Fiasko, entschied ich mich, 38. Schwangerschaftswoche hin oder her, das Projekt Kindergarten-Eingewöhnung selbst in die Hand zu nehmen. In der Retrospektive betrachtet, bezwang ich diese Mammut-Aufgabe mit der folgenden dominanten Strategie: Steigerung des kindlichen Sicherheitsbewusstseins durch stufenweisen mütterlichen Rückzug. Dabei wurde letzterer vor allem räumlich gesehen. Außerdem sollte mein Stenz bei der Eingewöhnung tatkräftig von seinen Stofftier-Kumpanen Bella und dem Hasen emotional begleitet werden. Während ich also die ersten Tage, sozusagen noch in Stufe eins des Projektes, als hochschwangerer Walross ins Puppeneck gequetscht imaginären Tee an des Stenzes Kuscheltier-Zoo ausschenkte, versuchte ich mich später soweit es als Frau mit gigantischem Bauchumfang ging, unsichtbar zu machen. Daher fand ich mich in Phase 2 an der Türschwelle des Bienenstocks auf besagtem Miniaturstühlchen wider. Natürlich war der Übergang vom Puppeneck ins „Vor die Tür Exil“ mit lauthalsem Protest des Stenzes begleitet. Doch unterstützt von den Erzieherinnen, die das ein oder andere hormonelle Tief von mir hautnah miterleben durften, folgte ich der Strategie mit großer Stringenz. Und yippie, nach nur zwei Wochen saß ich dann in meinem finalen Versteck, dem dunklen und leider sehr kalten Kindergartenbüro. Von hier durfte ich mit knurrendem Magen durch die Türspalte neidvoll zusehen, wie täglich eines der kleinen Bienenstock-Bewohner mit Muffins, Törtchen und Kuchen und schallendem Gesang als Geburtstagskind gefeiert wurde. Während dieser Hungerattacken sann ich meinen perfiden Fluchtplan aus. Denn ich war die mitleidigen Blicke all der anderen Mütter allmählich leid. Ich beneidete nämlich nicht nur die Kinder um ihre Smarties-verzierten Cup-Cakes, sondern auch die anderen Mamis, die ihren Nachwuchs nach einer halbstündigen Eingewöhnung erfolgreich in der Obhut der Erzieherinnen ließen. Dabei kann Neid, wie ich merkte, eine sehr gute Antriebsfeder für blühende Phantasie sein. So bestand mein Flucht-Plan in einem kurzen Schauspiel aus zwei Akten:

Akt 1: ich stürme aufgelöst aus meinem Versteck zum Stenz und berichte ihm panisch, dass eine Politesse gerade dabei ist mein Auto abzuschleppen. Dabei staunte nicht nur der Stenz, sondern der gesamte Bienenstock über mein theatralisch vorgetragenes Ansinnen.

Akt 2: ich brenne zur Rettung meines Vehikels durch und eile von dannen.

Die rettende Verkehrswidrigkeit

Dieses Schauspiel wiederholte ich nun jeden Tag und machte den Stenz schon beim Einparken darauf aufmerksam, dass ich heute leider wieder im absoluten Halteverbot stünde und auf seine Mithilfe angewiesen sei. Denn ohne seine Erlaubnis mich aus dem Kindergarten zu entfernen, drohe ein böser, böser Strafzettel, der uns in den finanziellen Ruin treiben würde. Und mein Plan ging auf. Bis auf eine kleine Panne. Denn bevor ich mit Akt 1 begann, unterrichtete ich eine der Kindergärtnerinnen von der bevorstehenden Tragödie, die ich gleich im Begriff war, zu inszenieren. Leider war hierbei ein anderes Kindergartenkind, nämlich die Spionin Sophie, anwesend. Man sollte nie die Solidarität und das konspirative Bewusstsein von Kindergartenkindern unterschätzen. Denn die kleine Denunziantin verpetzte mich umgehend beim Stenz noch bevor ich mein schauspielerisches Können unter Beweis stellen konnte. Doch dieser Fehler passierte nur ein einziges Mal und nach vier Wochen des Mama- und Papagartens war der Stenz eingewöhnt. Seither schwebt er mit großer Begeisterung als kleine Biene gen Bienenstock.

Der Weihnachtsmann zu Gast an Ostern oder es lebe die genderneutrale Verkleidung

Nikolaus

Der Stenz hat seit jeher eine Vorliebe für Verkleidungen im Allgemeinen und weihnachtliche Kostümierungen im Besonderen. Diese Präferenz zeigte sich bereits im zarten Alter von sechs Monaten. Denn unserer Familientradition folgend steckten wir ihn schon vor seinem ersten Weihnachtsfest in ein Nikolaus-Kostüm, um feierlich für das Familien-Foto zu posieren. Und der Stenz lächelte, lächelte und lächelte. Unser Kind war selig.

Mit eineinhalb Jahren äußerte er sein Wohlgefallen an dem Nikolauskostüm in der Art, dass er es nicht mehr ablegen wollte. Er schlief darin, begrüßte unsere Gäste damit und verreiste mit dem Kostüm. Er ging sogar soweit, dass er in einem von uns getesteten Hotel mit dem Nikolaus-Kostüm eincheckte. Wir konnten ihn auch nicht mit dem Argument davon abhalten, dass jetzt im April doch schon der Osterhase um die Ecke spähe und von ihm, dem kleinen Weihnachtsmann, vollkommen eingeschüchtert verjagt würde. Papperlapp, Schokoeier hin oder her. Nein, er lege sein Weihnachtsmannkostüm keinesfalls ab. Das Ergebnis: wir ernteten beim Check-In mit unserem Miniatur-Nikolaus kurz vor Ostern im Stubaitaler Wellnesshotel amüsierte bis mitleidige Blicke. Aber der Stenz ist stur. Heimlich musste ich den kleinen Körper vom roten Filz im Schlaf befreien, um das Weihnachtsmann-Mäntelchen wenigstens einmal pro Woche zu waschen.

Der Stenz, ein gerupfter Cherub

Erst zu seinem dritten Weihnachtsfest ließ die Faszination am Nikolaus-Kostüm nach. Aber nur, um einem neuen, anderen Fetisch zu weichen. Denn nachdem das Christkind bei uns an Weihnachten feierlich durch die Wohnzimmer-Luft schwebte und ein sanftes Glockengeläut als akustische Spur hinterließ, streng versteckt hinter weißen Tüchern versteht sich, war der Stenz vom „Engel-Fieber“ gepackt. Die Tatsache, dass ich ihn, ich weiß – Schande über mich – auch in der Öffentlichkeit mit „mein Engel“ titulierte, mag neben der Faszination am Christkind ein weiterer Grund für seine plötzliche „Cherubin -Besessenheit“ gewesen sein. Sei’s drum, von nun an war der Stenz nur noch mit Engelsflügeln, die dank dem world wide web ihren Weg vom fernen China bis zu uns nach Bayern gefunden hatten, anzutreffen. Die ersten Worte nach jedem Kindergarten-Tag waren von nun an „Wo sind meine Engelsflügel?“ Und wehe, die irdischen Heerscharen legten dem Himmels-Gesandten nicht sogleich das gewünschte Flug-Utensil zu Füßen. Dann setzte es ein ohrenbetäubendes Geschrei. Dabei hatte der Stenz seltsamerweise ganz konkrete Vorstellungen von der Optik eines Engels. Das Engelshaar musste von lieblichen Zöpfchen geschmückt sein, ein Engel musste einen weißen Punkt auf der Nase und einen gelben Streifen am Hals und eben wunderschöne, befederte Flügel besitzen. Um also sein Outfit zu komplettieren durfte ich von nun an jeden Tag Zöpfchen ins kurze Deckhaar meines Sohnes einarbeiten und ihm sein chinesisches Federkleid überziehen. Dieses erwies sich als billiges Fabrikat, denn es ließ schon nach wenigen Tagen etliche Federn, sodass er bald wie ein gerupfter Cherub aussah. Als der kleine Engel dann plötzlich auf das Lackieren seiner Fingernägel bestand und auch dem Auftragen eines Lipglosses nicht abgeneigt zu sein schien, reichte es dem Engelsvater. Allerdings erst das Anlegen fluoreszierender Ohrringe, die der Stenz in einem der vielen Geburtstagstütchen mit nach Hause schleppte, brachte das emotionale Fass im Oberstübchen meines Mannes zum Überlaufen. Das sei doch nicht normal wetterte der Mann erregt, dass sich der Stenz immerzu als Engel verkleide. Ein „gescheites“ Kostüm müsse her, denn sonst sehe der Mann die Fortsetzung unserer Familien-Dynastie ernstlich in Gefahr.

Ein Polizisten-Kostüm muss her!

Noch weiß befedert beäugten der Mann und der Stenz im größten weltweiten Online-Shop diverse männliche Verkleidungs-Optionen. Dabei gefiel dem Mann die Vorstellung einen kleinen Polizisten unter seinem Dach zu beherbergen besonders gut. Und auch der Stenz legte großen Enthusiasmus bei der Vorstellung an den Tag, ab morgen mit Kelle, Handschellen und einer Pistole bewaffnet auf seinem Mini-Polizeimotorrad in unserem Wohnzimmer umherzurasen und das Baby festzunehmen. Ja, Sie haben richtig gelesen, auch eine Spielzeug-Pistole sollte her. Ich geriet in absolute Rage als ich von dieser Online-Bestellung erfuhr. So zog die Bestellung der Spielzeugpistole schwere eheliche Turbulenzen nach sich. In meinem Zorn machte ich meinen Mann darauf aufmerksam, dass wir in einer absolut pazifistischen Nachbarschaft lebten, in der schon das Spiel mit Stöcken im Kindergarten als wilde Kriegshandlung angesehen wurde. Ob denn der Mann den Stenz zum gesellschaftlichen Paria machen wolle? Als Horror-Szenario sah ich schon mein geliebtes Kind von allen gemieden einzig und allein weil sein Vater auf eine Kostümierung mit Testosteron-getriebene Requisiten bestünde. Wie konnte er nur? Mein Mann hörte meinen Ausführungen aufmerksam zu und war ernsthaft an einer Problemlösung interessiert. „Du hast Recht, es ist nicht gut, wenn der Stenz der einzige ist, der mit einer Waffe imaginär um sich ballert, auch die anderen Kinder sollten das Vergnügen haben mitzuknallen. Ich bestelle gleich mehrere Plastik-Pistolen, die können wir dann zu den Kinder-Geburtstagen verschenken“ Ich schaute meinen Mann völlig entgeistert ob dieser abstrusen Idee an. Nun ist er beim Propagieren des Mottos „Waffen für alle!“ vollkommen übergeschnappt. Ich holte nach Luft, begab mich stante pede ins Internet und suchte nach einer genderneutralen Verkleidung. Seit diesem Tag sieht man den Stenz als grünen Frosch in unserem Garten umherhopsen!

Garten-Idylle mit Kindern Fehlanzeige

Traktor im Garten

Als ich noch keine Kinder hatte, habe ich mir das Leben mit Kindern immer als etwas abstrakt Idyllisches vorgestellt: Kuchenduft, Kinderlachen, Gänseblümchen, Sonnenschein, Faulenzen und jede Menge glücklicher Gefühle im Bauch – so hatte ein Sommertag mit Kindern auszusehen.

Die Realität lehrte mich diesen Mai mal wieder sehr konkret etwas Anderes: Wolkenloser Himmel, Vogelgezwitscher, Grillenzirpen und warme 25 Grad – die äußeren Umstände waren perfekt und schrien uns förmlich entgegen „Kommt sofort raus und macht es Euch im Garten gemütlich.“ Als kinderloses Paar war Faulenzen so einfach: Man legte sich in den zugegebenermaßen spärlichen Halbschatten unseres persönlichen Kleinods und las ein gutes Buch. Der kleine Sonnenbrand am Anfang jeden Sommers würde schon nach einer kurzen Hautpelle einer angenehmen Bräune weichen. Ein Eiskaffee und einige Nickerchen später zündete man am Abend gemütlich den Grill an und lud unkompliziert ein paar kinderlose Paare zu sich ein und stieß mit einem Glas Rosé auf das eigene wunderbare Leben an. Sommer ohne Kinder im Garten war so einfach.

Der ganz normale Garten-Wahnsinn

Sommer mit Kindern im Garten ist anstrengend. Natürlich folgten wir dem Ruf dieses herrlichen Sonnentages und stürmten nach draußen. Aber nicht, ohne gewisse Vorkehrungen zu treffen: Der Mann fing hektisch an, einen Sonnschirm nach dem anderen zu platzieren und wortreich aufzustellen. Liegen wurden aufgebaut, mit Bezügen eingedeckt, Krabbeldecken auf die Wiese gelegt. Diverses Spielzeug für das Baby rausgeschleppt. Die Wippe aus dem Haus in den Garten getragen, Breichen für das Baby, Wassermelonen und Getränke für den Stenz aus der Küche geholt. Ach ja, man selbst hatte irgendwie auch Durst und auch schon etwas Hunger. Schnell nochmal ein paar Pfannkuchen gebacken und ebenfalls in den Garten geschleppt. Mist, die ersten Mücken! Und irgendwie scheint es dem Stenz im Schatten der Sonnenschirme nicht so recht zu gefallen. Mückenspray und Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50+ im Bad ausfindig gemacht. Kinder unter lautem Geschrei ausgezogen und unter Aufbringung der besten Argumente eingecremt und mit Anti-Mücken-Spray eingesprüht. Ach ja, und wo waren nochmal die Sonnenhüte? Erster kleiner Schwächeanfall meinerseits. Erster mittelgroßer Tobsuchtsanfall des Stenzes, der versucht, seinen sperrigen Riesentraktor über unsere hügelige Wiese zu treten. Leider vergeblich. Erstes launisches Gemurre meines Mannes „Ich möchte doch nur in Frieden mein Buch lesen.“ Ablenkungsmanöver für den Stenz eingeleitet: „Komm wir spielen Federball!“ Das Baby schreit. Ach ja, das hatte ja vor einer Stunde schon Hunger. Der Stenz spielt mit sich selber Federball. Jedenfalls für zwei Minuten. Erneutes Gebrüll, weil Federball alleine eben nicht glücklich macht. „Stenz, schau doch mal in die Gartenhütte, da sind doch so viele Spielsachen.“ Gesagt getan. Alle Kräne, Lastwagen, Eimerchen, Kinderrasenmäher, Drachen, Fußbälle, Tennisschläger, Frisbees und Wasserpistolen ausgeräumt und den Rasen damit bunt und plastikreich verziert. Erneutes Gebrüll vom Stenz: „Mir ist sooo langweilig.“ Die zündende Idee: „Warum machst Du hinter unserer Gartenhütte nicht Deine berühmt berüchtigte Matschsuppe für uns?“ „Ja, Mami, das ist eine super Idee!“ Puh, Glück gehabt. Endlich lege ich mich in die Hängematte auf die kleine Terrasse unserer Gartenhütte.

Das Gartenhäuschen, unser ganzer Stolz

Diesen Rolls Royce unter den Gartenlauben haben wir uns übrigens vor zwei Jahren von einem Schreiner maßanfertigen lassen. Nachdem unsere alte Gartenhütte irgendwann auf das Grundstück unserer Nachbarn geflogen war. Ich kam damals nach Hause und dachte so bei mir, wie komisch leer unser Grundstück aussah, irgendwie verwaist. Etwas fehlte. Ich ging in die Küche und machte mir einen Kaffee und plötzlich merkte ich es, die Gartenlaube war weg! Andere Leute lassen Drachen steigen, wir ließen unser Hüttchen steigen. Nach dem ersten Schreck entwarfen wir dann einfach die zweite Generation eines hölzernen Rückzugsparadieses, das wir seitdem hegen, pflegen und mit viel Liebe zum Detail dekorieren. So à la Country Living: Windspiele, Hängematten, mediterrane Kissen und Oleander so weit das Auge reicht.

Gefährliche Ruhe

Und genau jetzt hier in der Hängematte stille ich das Baby und genieße die plötzliche und unerwartete Ruhe. So schlecht ist so ein Sommertag mit Kindern gar nicht. Das Baby ist an meiner Brust selig eingeschlafen und ich beiße genüsslich von meiner süßen Wassermelone ab und erfreue mich an den Gänseblümchen im Garten. Es fehlt zwar noch der Kuchenduft, aber glückliche Gefühle im Bauch habe ich trotzdem. Vielleicht war meine Vorstellung von damals als ich noch kinderlos war, doch gar nicht so weit gefehlt. 20 Minuten später herrscht immer noch diese unglaublich friedvolle Stille, die lediglich vom Muhen der Kühe auf der Nachbarwiese und dem Grillenzirpen akustisch untermalt wird. Der Mann ist sogar kurz eingenickt und schnarcht leise. „Stenz?“ rufe ich, „lebst Du noch?“ „Ja, Mami“ vernehme ich dumpf die Antwort meines Kindes, das sich immer noch hinter der Gartenlaube verlustiert. „Was machst Du?“ keine Antwort. Ich wecke den Mann, weil es für mich gerade zu umständlich wäre, mich mit dem schlafenden Baby aus der Hängematte zu schälen und bitte ihn, nach dem Stenz zu schauen. Klagvolles sonores Schimpfen ist seine Antwort. Ich bettle ihn an. Er erbarmt sich und schlurft hinter die Gartenhütte. Eine Minute vollkommene Ruhe. Dann ein ohrenbetäubendes Geschrei meines Mannes. Der sonst relativ besonnene Mann fängt an zu fluchen und wird immer lauter. Der Stenz heult. Ich vernehme folgenden Satz meines Mannes „Das gibt es doch nicht, er hat hinter die Hütte gekackt und verziert damit die Wände unserer Laube. Mir reicht es, ich gehe rein. Lasst mich bloß alle in Ruhe“. Schluss mit der Gemütlichkeit, Ende mit der Sommer-Idylle im Garten. Das Baby ist aufgewacht und brüllt. Ich brülle und lasse meinen Sommertag mit Putzeimer und Lappen bewaffnet beim Kacke abwischen der Hütte ausklingen. Das kommt davon, wenn man mal 20 Minuten mit Kindern faulenzen will. Aber vielleicht hatten wir ja noch Glück. Meine Schwägerin erzählte mir kürzlich, dass meine Nichte ihr nun als großes Schulmädchen anvertraut hat, dass ihre beste Freundin damals im Kindergarten einmal ihr Kacka probiert habe. Herr, schmeiß Hirn vom Himmel und hilf mir den nächsten Sommertag im Garten mit ganz viel Humor zu überstehen.