Let’s dance in the rain

Manchmal frage ich mich, was ich tun würde, wenn ich keine Kinder hätte? Was würde ich mit all der freien Zeit bloß anfangen? Eine Frage, die wahrscheinlich alle Eltern irgendwann umtreibt. Eines ist gewiss, ich würde am Wochenende bis nachmittags schlafen, anstatt Samstag morgens um 6:30 Uhr lautstark von Pumuckls hämischen Gelächter geweckt zu werden. Ich würde lesen, Musik hören und vielleicht einfach mal gar nichts tun. So gar nichts. Ich weiß, dass hört sich ziemlich keck, wenn nicht sogar verwegen an. Wie geht das überhaupt? Kann ich das noch? Ich erinnere mich vage, dass ich früher ziemlich gut darin war, gerade im Herbst. Da bin ich einfach nur so rumgelegen, tagelang. Ich war quasi ein Meister im Rumliegen. 

Ein Hoch auf authentische Halloween-Verkleidungen!

Das ist Jahrzehnte her. Und gerade jetzt, wo mein Leben irgendwie Loopings dreht, wäre so ein bisschen faules Rumliegen wirklich verlockend. Stattdessen finde ich mich im Treppenhaus der Privatwohnung unserer Kinderärztin wieder. Sie leuchtet gerade mit einer Stehlampe die Stenz’sche Stirn aus und knetet dabei auf hartgefrorenem Kleber rum. Auch eine Beschäftigung für einen Freitag-Abend. Andere feiern, ich schließe mich der Ärztin an und walke gemeinsam mit ihr auf der mittlerweile vierten Klebertube herum. Der Kleber scheint vertrocknet zu sein, was sehr schade ist, soll er doch eigentlich das Loch im Kopf unseres Sohnes wieder zusammenkitten. Einfach nur rumliegen, wie wäre das jetzt schön! Ich träume davon, während ich meinem Kind das Blut aus der Stirn tupfe und den Riss fachmännisch zusammendrücke, sodass aus der klaffenden Wunde wieder die zauberhafte Stirn unseres Kindes wird. Zu meinem eigenen Erstaunen bin ich auch ziemlich gut im Zusammendrücken, ganz so als würde ich den lieben langen Tag nichts anderes machen. Ich muss mich da jetzt auch mal selber loben. Aber auch den Stenz muss ich preisen. Hat er sich doch „just in time“ kurz vor Allerheiligen, durch einen waghalsigen Sprung vom Fensterbrett auf die Couchgarnitur unserer Freunde, eine wahrlich authentische Halloween-Verkleidung zugelegt. Das ist ihm wirklich phantastisch gelungen – und das alles so kostengünstig. Seine Haare sind mittlerweile blutverschmiert, genau wie seine Stirn und auch sein Gesichtsausdruck könnte nicht gruseliger sein. Aber er ist selbst jetzt die personifizierte Tapferkeit.

Bayerische Askese

Schade, dass er morgen so nicht Süßigkeiten sammeln darf. Denn momentan darf man ja leider gar nichts. Und schon gar keine Wellnessreise unternehmen. Während mir all meine Freunde aus dem hohen Norden noch Anfang Oktober beneidenswerte Fotos aus ihren verschiedenen herbstlichen Ferien-Destinationen schickten, sind die Bayern einfach asketische Streber und lassen ihre Herbstferien pünktlich zum Lockdown beginnen. Solche Anfänger!

Mein Secret Escape: Das Sanitärfachgeschäft

Aber das ist nicht schlimm. Wie gut, dass ich mich nach dem Umzug und unseren Hausbauplanungen so erfrischt und erquickt fühle wie lange nicht mehr. Und wenn mich dann doch ein leichter Hauch von Erschöpfung umweht, weiß ich Rat: Ich suche einfach diverse Bad-Ausstellungen auf und mache sie zu meinem Secret Escape. Gerade das Probeliegen in einer freistehenden Badewanne entbehrt nicht einem gewissen Erholungsfaktor, wie ich gestern erfahren durfte. Ich war sogar kurzzeitig geneigt, die freundliche Verkäuferin zu bitten, das Licht zu dimmen und die atmosphärischen Deko-Kerzen anzuzünden. Leider hielt mich mein Mann davon ab. Und auch beim Küchen-Schreiner lässt sich sicher noch der ein oder andere magische Relax-Moment zelebrieren. Ich werde einfach um ein bis zwei Gläser Rotwein bitten. Dann wird das mindestens so erholsam wie die Wellness-Auszeiten, die ich ursprünglich für diesen November geplant hatte. Mit ein bisschen Phantasie und viel Wein, trinkt man sich die Corona Herbst-Ferien einfach schön.

Rumliegen wird überbewertet

Abwechslungsreich war der erste Ferientag auf jeden Fall: vormittags belebte mich das „Beinahe-Nickerchen“ in der Badewanne des Sanitärfachgeschäftes. Während ich nachmittags dem Abriss unseres Hauses mit Spannung beiwohnen durfte. Was ein Spektakel! Wer braucht da noch Kino oder Theater? So ein Hausabriss sorgt für perfekte Unterhaltung in Corona-Zeiten. Der Baggerfahrer war auch ganz beschämt über den schallenden Applaus, der ihm nach der ersten sanften, ja beinahe liebevollen Zertrümmerung unseres ehemaligen Bades zuteil wurde. Ja, richtiggehend genant wurde er. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass ein Baggerfahrer so viel Zartgefühl besitzt. Und so hatte er den Beifall unserer gesamten Nachbarschaft mehr als verdient. Ja, und dann am Abend wurde ich mit der gruseligen und sehr gekonnten Showeinlage des Stenzes zum Halloween-Auftakt ebenfalls reich beschenkt. Wenn die Herbstferien so kurzweilig weiter gehen, werde ich dem öden Rumliegen sicherlich keine Träne hinterherweinen. Ganz nach dem Motto: „Manche spazieren im Regen, andere werden einfach nur nass.“ In diesem Sinne, werde ich im Herbstregen tanzen! Denn nichts tun, kann ich auch später noch.