Hoch‘ lebe das Familienfest!

Ruhe. Nichts als Ruhe. Man könnte eine Stecknadel fallen hören, so leise ist es in der Kirche. Ein Grund für diese andächtige Stille könnte die charmante Ansage des Pfarrers zu Beginn seiner Predigt sein. Als der Herr Pastor nämlich meinte, dass er kleine Kinder über alles liebe, aber dies nicht der Tag der kleinen, sondern der großen, nämlich der Kommunionkinder sei. Und damit sich diese voll auf die Feierlichkeiten konzentrieren könnten, bitte er all seine kleinen Schäflein nicht laut in der Kirche rumzubrüllen. Und sollte sich doch eines seiner wundersamen Bitte nicht fügen wollen und vom Schäfchen zum Brüllaffen mutieren, wäre es Sache der Eltern, die heiligen Hallen schnellst möglich zu verlassen, um sich im sakralen Kirchenhof mit dem lärmenden Nachwuchs die Beine zu vertreten. Welch‘ eine verheißungsvolle Ansage! Da kann man als Mutter einer Zweijährigen ja gelöst durchatmen und den Gottesdienst  genießen. Draußen herrschen Minusgrade und das Anfang Mai und zu allem Übel rieselt auch noch leise der Schnee. So bekommt man doch richtig Lust, sich den weiß betüllten Brüllaffen umzubinden und ein bisschen in der Kälte zu frieren. Komisch, ich gehe gerne in die Kirche, aber beim nächsten Mal vielleicht nicht unbedingt in der tiefsten bayerisch-katholischen Provinz.

Reiswaffeln mit sedierender Wirkung

Zum Glück schlägt sich unsere Tochter bislang wacker. Sie unterbricht lediglich die heilige Stille, um herzhaft in ihre sechste Reiswaffel zu beißen, die ich ihr als Beschäftigungstherapie entgegenhalte. Aber ich habe das Gefühl, nach einer Stunde wird auch sie etwas unruhig und vor allem satt. Sie mag nicht mehr, weder Reiswaffel noch Pixie-Büchlein. Auch mit dem Bleistift auf das Liedheft zu kritzeln, findet sie langsam aber sicher langweilig. Eigenartigerweise hat sie auch keine Lust der Predigt über den treuen Hirten zu lauschen. Ein kleiner spitzer Schrei gen Kathedralen-Himmel hingegen, ja das ist schon was Feines, Juche! Das hallt so herrlich! Ich rutsche angespannt auf meinem Platz umher und versuche abzuschätzen, wie lange sich die Kommunionkinder wohl noch in ritueller Versenkung üben mögen. Denn ich mag meine müden Glieder, die schon auf der Kirchenbank erste Frostbeulen bilden, nicht noch eisigerer Kälte aussetzen. Doch leider entscheidet sich mein Schäflein nun ein bisschen Pepp in die Zeremonie zu bringen und lässt plötzlich im Sekundentakt stakkatoartige Schreie los, sodass auch das Schnarchen des Greises in der hintersten Bank abrupt aufhört. Ich sprinte in Richtung Kirchentür, doch das missfällt meiner Tochter derart, dass die Kirche Gefahr läuft unter ihrem lauten Jaulen zusammenzubrechen. Und ich merke, dass ich sie nur zum Verstummen bringe, wenn ich mich wieder in Zeitlupe auf meine Bank setze und es mit der siebten Reiswaffel versuche. Bingo! Getrockneter Reis scheint doch eine besänftigende Wirkung zu haben.

Ich liebe gut gemeinte Erziehungs-Tipps 

Da flüstert es mir plötzlich von hinten geisterhaft über die Schulter: „Entspannen Sie sich, je entspannter die Eltern, desto entspannter das Kind.“ Oh wie großartig, genauso einen Ratschlag brauche ich jetzt! Aber natürlich fällt es mir leicht, tiefenentspannt Ruhe zu bewahren, wenn zu Beginn der Kommunionfeierlichkeiten vom Pfarrer höchstpersönlich die Anordnung zur totalen Stille verkündet wurde. Sei’s drum, der liebe Gott hat Mitleid mit mir und die Kommunionkinder scheinen aus ihrer meditativen Konzentration zu erwachen. Die Kirchenfeier neigt sich dem Ende und ich stimme noch ein vollmundiges Halleluja mit an, in das meine Tochter ein letztes Mal voller Inbrunst reinschreit – diesmal zum Glück unbemerkt, denn die Schreie verpuffen im allgemeinen Lobgesang. Gott sei Dank!

Luschtig währt am längsten

Und endlich stapfen wir alle glücklich durch den weißen Mai-Schnee zum zünftigen bayerischen Festessen. Nun beginnt der fröhliche Teil. Das denkt sich jedenfalls mein Sohn als er seiner Schwester in die ruhige Vorfreude des Festmahls mit einem schelmischen Lächeln etwas ins Ohr souffliert. „KACKWUAAAAAST “ verkündet daraufhin das weiß betüllte Engelchen mit seiner blauen Samt-Verzierung am Kleid voller Glückseligkeit und eröffnet mit diesen andächtigen Worten das traute Kommunionessen. Da sie sich allerdings nicht ganz sicher ist, ob auch wirklich ihre ganz eigene Interpretation von „Guten Appetit“ von allen geladenen Gästen vernommen wurde, ruft sie noch ein zweites und drittes Mal lauthals „KACKWUAAAAST“ durch die bayerische Stube. Währenddessen fällt mein Sohn vor Lachen beinahe vom holzgeschnitzten Stuhl. Und die etwas schwerhörige Oma am Ende des Tisches raunt mir freudig entgegen: „Was hat sie gesagt? Sie ist ja wirklich eine ganz Luschtige!“ Ja, da hat sie recht. Unsere Tochter ist in der Tat eine „ganz Luschtige“, die an diesem Nachmittag noch zu Hochtouren aufläuft. So wird es immer schöner und geselliger. Der Wein fließt und das Kommunionkind hält sogar noch eine kleine Dankesrede. Welch‘ ein schöner Moment, der durch das laute Rülpsen unserer Zweitgeborenen erst so richtig lautmalerisch in Szene gesetzt wird. Wieder läuft unser Sohn Gefahr vor Lachen vom Stuhl zu fallen, während sein Cousin es unserer Tochter gleichtut und ebenfalls beherzt rülpst. Es geht doch nichts über einen entspannten Tag im Kreise der Familie – hoch  lebe das Familienfest!