Where goes it to the beach?

Ein Strand-Tag mit Kids

Der Auszug aus Ägypten kann beginnen. Schon allein das Packen von sieben Trilliarden Badetaschen für den Strand kommt in unserer Familie einer zeitraubenden Doktorarbeit gleich, die sich in folgende Kapitel gliedert:

I) Sonnenschutz-Gedöns
II) Beach Entertainment
III) Lecker Strandhappen

kleine weiße neopren gespenster 

So beginne ich mit der Bearbeitung des ersten Gliederungspunktes und beantworte folgende Fragestellungen: Sind für alle Sonnenhüte im Gepäck? Und auch die obligatorischen Ersatzhüte? Denn meine Familie verliert Sonnenhüte wie andere Leute Regenschirme. Wie schaut es mit den hundert unterschiedlichen Sonnencremes aus? A propos Sonnenschutz, habe ich schon erwähnt, dass ich das Eincremen meiner Kinder hasse? „Bitte, bitte Stenz stillstehen, bitte kannst Du Dich kurz zu mir umdrehen?“ Diesen Satz bete ich während des Eincreme Manövers unzählige Male mantramäßig herunter, bevor ich zum Sprint ansetze, um meiner Tochter im Schweinsgalopp hinterher zu hechten, da sie sich bei der Ankündigung „Louloubelle eincremen!“ erst mal spontan aus dem Staub macht. Habe ich sie eingefangen, besteht sie darauf, meine Uhr, meinen Bikini und auch meine Haare gleichermaßen mit Sonnenmilch zu behandeln. Gerade letztere könnten in Anbetracht ihrer Strohigkeit ein wenig Sonnenschutz vertragen, so jedenfalls denkt sich wohl meine Tochter. Ist es dann vollbracht und meine Sprösslinge unter einer Zentimeter dicken weißen Cremeschicht begraben, beginnt das Suchen der unterschiedlichen Neopren Shirts und Shorts. Denn die kleinen milchig ausschauenden Gespenster brauchen für einen Tag am Strand ja noch das passende Gewand! Ach, was muss das ungeschützte Sonnenbaden zu Großmutters Zeiten noch herrlich gewesen sein!

Das Krokodil: hüter des Strandhauses

Nach Abschluss des Sonnenschutz-Kapitels beginnt die Zusammenstellung des Entertainment und Sport-Utensils. „Nein, Stenz, die Flossen und deinen Schnorchel samt Taucherbrille brauchst du an diesem Strand nicht!“ Der Mann ächzt und stöhnt im Hintergrund und verkündet baldigen Wadenkrampf, verursacht durch das Aufblasen der Luftmatratze via Blasebalg. “Aber dann will ich wenigstens mein großes Krokodil zum Reiten mitnehmen!” quengelt der Sohn mit dem Vater um die Wette. “Wer soll das denn alles schleppen?” unterbricht der Mann sein Aufblas-Gejammere. “Wir haben ja auch noch zwei Sonnenschirme, das Zelt und die Luftmatratze – nein, das Krokodil bleibt zu Hause und bewacht unser Häuschen”, versuche ich dem Stenz zu erklären. “Ok, gut Mama.” Wow, das war einfach, ich glaube es kaum, dass dieser Erklärung keine langwierige Debatte folgte. “Aber meinen Eimer, Schaufel, Bagger und ach ja, das Fischernetz müssen unbedingt mit!”

Mit „Essen auf Rädern“ zum Strand

Ich genehmige sämtliche, für eine Fischgroßfang-Aktion benötigten Angler Accessoires, und beginne mit den kulinarischen Vorbereitungen für die bevorstehende Strand Exkursion. Noch schnell ein kleines Salätchen gezaubert, während Teile von mir in der ca. 45 Grad heißen Küche immer wieder ins Fischernetz geraten und ich meine Tochter davon abhalte, sämtliche, von unserem Vermieter als Deko-Elemente aufgestellten Muscheln in den Mülleimer zu schmeißen. Noch eine Wagenladung Bananen eingepackt, Cracker, Babyflaschen und ca. Dreiliter Wasserflaschen und schwuppdiwupp, schon sind wir bereit. Ich komme mir vor, wie ein „Essen auf Rädern“ Lieferant. Wie schnell das immer geht! Ein Blick auf die Uhr verrät, dass wir nur lächerliche anderthalb Stunden mit Packen beschäftigt waren.Mit unserer Strand-Ausstattung könnten wir locker das nächste halbe Jahr am Meer kampieren. Mit welcher Leichtigkeit beging ich doch früher einen Beach-Tag: Ein Handtuch, ein Buch, Wasser und das war’s. Mensch, jetzt hätte ich fast die Handtücher vergessen. Ich frage mich mittlerweile, warum wir uns eigentlich nicht einfach wieder an „unseren“ Strand direkt vor der Haustür fläzen? Hier sind wir immer alleine, müssen nichts packen und schnorcheln kann man auch.

Der Kampf um die letzte freie Strandparzelle ist eröffnet

Ach ja, am anderen Strand ist die Farbe des Meeres so unglaublich Türkis! Was ein absolut bekloppter Grund schimpfe ich leise vor mich hin, während ich mit Louloubelle auf dem einen Arm, einer ca. 20 kg schweren Strandtasche in der anderen Armbeuge und einem Strandzelt um den Hals, gefolgt von einem ebenso schwer beladenen Mann und einem heroisch schleppenden Stenz über glühend heißen Sand stapfe auf der verzweifelten Suche nach einem freien Strandplätzchen in der Front Row. Leider sind eben diese Plätze an dem ach so Türkis schimmerndem Meer heute rar gesät. Das einzig freie Eckchen Sand direkt am fluoreszierenden Ozean erspähen wir vor dem Wassersport Verleih. Na ja, die werden schon nicht so sein. Doch, leider sind sie so! Allerdings erst nachdem wir unsere zehn Trilliarden Taschen abgestellt, ausgeräumt und unsere Schirme und das Zelt im Schweiße unseres Angesichts aufgebaut haben. Denn erst dann werden wir von dem Wassersport-Futzi mit Schimpf und Schande vertrieben. Also ganz ehrlich von den Italienern hätte ich da mehr Souveränität und Toleranz erwartet. Ich fühle mich gerade ein bisschen wie Maria und Joseph, die für die Geburt des Heilands um Obdach betteln. “Komm, ich frag‘ mal die sympathisch dreinschauende, etwas mollige italienische Mami, ob es ihr was ausmacht, wenn wir uns schräg vor ihrem Schirm niederlassen, oder besser gesagt, Schweiß gebadet zusammenbrechen. “Do you mind?” beginne ich vorsichtig und mit unsicherer Stimme in ihre Richtung. „Noooo!!!!“ kläfft sie mir entgegen. Was eine Kuh! Das gibt‘s doch nicht! Von wegen italienische Gastfreundschaft. Bei der Verteidigung ihrer Strandparzelle versteht sie keinerlei Spaß. Mittlerweile scheint auch Loulebelle, die tonlos auf meinem Arm sitzt, meine Körperwärme bei 37 Grad im Schatten als nicht mehr ganz so Trost spendend wie sonst zu empfinden.

bloss kein peeling, der sand muss weg! 

Um Himmels Willen, ein Blick auf meine Tochter lässt mich entsetzt auffahren. Ihre Augen sind feuerrot, die Nase läuft und ihre Stirn ist übersät mit unzähligen, ziemlich ungesund aussehenden Quaddeln. Und ich ahne, dass sie sich mal wieder die Sonnencreme ins Auge gerieben hat. Das arme Hascherl. Gute Manieren hin oder her, dem Kind muss geholfen werden. Wir pflanzen uns jetzt einfach neben den feschen italienischen Opa im Tiger-Tanga, basta! Zum Glück hat er Erbarmen und zwinkert dem Stenz freudig zu. Louloubelle betten wie auf Handtücher und sie beginnt sofort mit der akribischen Säuberung ihres Körpers. Denn trotz Sonnencreme im Auge und allergischer Reaktion übersieht meine Tochter kein einziges Sandkorn, das an ihrem Körper haften bleibt. Und da bleibt viel haften. Denn dieser Strand erfreut sich nicht nur eines türkisblauen Meeres, sondern auch an besonders feinem, kleinkörnigem Puderzuckersand. So sitzt meine Zweitgeborene stoisch auf ihren Handtüchern, reinigt sich und scheint ansonsten wunschlos glücklich. Was ein wunderbares Kind. Am Strand laufen kann sie leider nicht, da sich ihre Füße partout weigern, den Sand zu berühren. Das wäre aber auch zu ärgerlich, wenn man zuvor Stunden mit der Sand-Reinigung verbracht hat. So tragen wir unser „Königs-Baby“ sänftengleich für einen erfrischenden Location-Wechsel immer wieder zum Meer und betten sie sanft auf der Luftmatratze. Zu dieser entwickelt sie auf Anhieb ein ähnlich inniges Verhältnis wie zu unseren Handtüchern. Sie möchte am liebsten gar nicht mehr runter. Freudestrahlend und glucksend blickt Sie in die schimmernde Ferne. So hat sich unser kleiner Ausflug vollends gelohnt. Wir Glückskinder! Hach, das Meer hier ist aber auch wirklich sagenhaft Türkis!

Invasion der Hottentotten oder warum ich Picknicks liebe

Essen mit Kindern

Ich habe den Eindruck, dass sich mein Dasein, seit ich Kinder habe, darauf beschränkt, Essen heranzukarren, Essen in irgendeiner Form zu verarbeiten, Essen aufzudecken, Essen abzudecken und Essen vom Boden, den Wänden, den Stühlen, den Tischen und sogar den Fenstern abzukratzen. Auch das Entfernen von Essensresten auf T-Shirts, Kleidchen und Hosen ist mit meiner mütterlichen Existenz verwoben, wie die morgendliche Meditation im buddhistischen Kloster. Atme ich irgendwann erleichtert auf, weil ich den letzten Krümel aus der hintersten, abstrusen Ecke unseres Hauses aufgeklaubt und entsorgt und das Spiderman T-Shirt von einem unheilvollen Fettfleck befreit habe, bricht die Nacht über mich herein und wenige Stunden später, wenn der Morgen graut, fängt der ewige Zyklus von vorne an.

Ich, die multifunktionale Wirtin

Dabei fühle ich mich als würde ich ein Gastgewerbe betreiben. Bei diesem Gastgewerbe bin ich nicht nur der herzliche Gastgeber, sondern auch Einkäufer, Koch, Kellner, Putz- und Waschfrau in Personalunion. Ich bin ein Held, ein Tausendsassa! Denn ein einfacher Vorgang wie das Essen zieht in unserem Hause einen langen Schwanz an diversen Arbeitsschritten nach sich. Das liegt daran, dass meine Gäste hin und wieder einen recht martialischen Habitat bei der Nahrungsaufnahme an den Tag legen. So werde ich fast täglich von den Hottentotten übermannt.  Gerade mein jüngster Stammgast versteht, wenn es um so elementare Dinge wie essen geht, keinerlei Spaß. Merkt meine Tochter zum Beispiel, dass sie nach dem ersten Augenaufschlag nicht wie erwartet, schnurstracks in das von mir betriebene „Lokal“ getragen wird, sondern die Wirtin zunächst den Weg in Richtung Wickelkommode einschlägt, wird der Morgen mit Zeter und Mordio klangvoll eingeläutet. Geduld ist eine Tugend, an der meine Tochter noch arbeiten muss. So beginne ich in Windeseile mit meiner morgendlichen Schnippelei diverser Obstsorten. Ist das erste Müsli angerichtet, beginnt mein Mädchen die von mir liebevoll zubereitete Vitaminbombe in sich hineinzustopfen als gäbe es kein Morgen mehr. Neutrale Beobachter könnten sogar den Eindruck gewinnen, Louloubelle hätte während ihres kurzen Erden-Daseins auf betrüblichste Weise darben müssen.

Die jungen wilden Food Artisten

Allerdings endet dieser Stopf-Prozess abrupt. Nämlich dann, wenn das zweite Müsli für den Stenz auf dem Tisch steht. Denn mein Zweitgeborenes hat einen starken Hang zum Futterneid. So als hätte sie zwanzig Brüder, die ihr das Gelbe vom Ei missgönnten. Da kann ich noch so oft versichern, dass das Stenz’sche Müsli mit denselben wertvollen Ingredienzien punktet wie ihr eigenes. Während Louloubelle brüllt und sich nach dem brüderlichen Essen verzehrt, verteidigt der Stenz schon aus Prinzip sein Frühstück. Obwohl er sich für letzteres genauso begeistert wie Donald Trump für den Umweltschutz. Die Spuren dieses ersten Frühstück-Kampfes wirken wie abstrakte Food-Art. Meine Kinder sind dabei die jungen Wilden der häuslichen Food-Art-Szene. Dabei ist das Arbeits-Outfit der jungen Künstlerin bemerkenswert. Um ihren Hals baumelt ein grüner, sehr kleidsamer Frosch-Latz, der als Auffangbecken von Blaubeerschalen, ausgespuckten Brotrinden, verschlabberter Milch und anderem undefinierbar Wiedergekäutem dient. Vergesse ich morgens und mittags nachlässigerweise die Säuberung dieses Auffangbeckens, fühle ich mich am Abend wie ein Fischer, der mit fetter Beute vom Meer in den Hafen einfährt. Dass die Künstlerin während ihrer Live-Food-Art-Performance in einer Art „Pferdegeschirr“ angeschnallt ihrer Passion nachkommt, ist unserer Vorsicht geschuldet. Denn die Artistin seilt sich beim Umherwerfen und Verschmieren von Lebensmitteln gerne einmal wagemutig, wie ein Bungee Jumper im Adrenalinrausch, von ihrem Kindersitz ab.

Küss‘ die Hand!

Und obwohl mein Zweitgeborenes unterhalb ihres Froschlatzes, also knieabwärts, von weit ausgebreiteten Tüchern verdeckt wird, hinterlässt sie bei jedem Mahl eine farbenfrohe Spur auf ihren Kleidern. Ob Himbeeren, Tomatensauce, Butter oder andere bunte Speisen, sie werden an ihren Gewändern und  in ihren Haaren verewigt. Es vergeht kein Tag an dem Louloubelles Garderobe am Abend nicht einen schweren Grad der Verwahrlosung aufweist. Es sei denn, ich habe zuvor hundertdreißig Mal ihre Outfits gewechselt. Allerdings habe ich, die beschäftigte Wirtin, für solcherlei Sperenzchen keine Zeit. Und auch der Stenz zieht den Ärmel, um lästige Speisereste abzuwischen, ganz klar seiner Serviette vor. Für was gibt es auch Flecken-Zwerge? Diese kleinen wundersamen Verbündeten im Kampf gegen Rinnsale jedweder Couleur begrüßen mich in der Drogerie schon mit Kusshand. Karre ich ja Wagenladungen von ihnen wöchentlich nach Hause.

„Halt’s bitte mit zwei Händen!“

Diese, von meinen Eltern oft synchron ausgerufene Phrase begleitete meinen Bruder und mich durch unsere gesamte Kindheit. Heute weiß ich warum. Denn auch ich belle sie öfter mal lautstark durch unser Haus. Während der Stenz zu meinem Erstaunen mit immer gesitteteren Tischmanieren bei fester Nahrungsaufnahme aufwartet (mal ausgenommen des Käse-Stangen-Massakers, das er vor kurzem unbemerkt veranstaltete) erleben wir bei seiner flüssigen Nahrungsaufnahme leider immer wieder herbe Rückschläge. Und da sich  auch meine Tochter momentan hemmungslos selbst überschätzt und auf selbständiges Trinken aus Bechern beharrt, breiten sich in unserem Heim Wasser-, Apfelsaft- und Milchlachen ozeangleich aus. Und ich bin mir sicher, es kommt der Tag, an dem wir in einer der Lachen ertrinken oder auf ewig festkleben.

Aas-Beseitigung oder Fischstäbchen-Weitspucken 

Doch nun hat, Yippie, yippie yeah die Outdoor-Saison endlich begonnen. Und das ist nicht nur fabelhaft, weil mir süßer Blumenduft in die Nase steigt, der See für frische Abkühlung sorgt und sich die Sonne auf meiner Haut so wohlig anfühlt. Nein, ein wunderbarer Grund ebenfalls den Sommer zu bejubeln ist, dass meine Kinder endlich wieder draußen essen. Hier, unter freiem Himmel versickern sämtliche Lachen, Krümel und wiedergekäuten Nudelreste auf wundersame Weise im Erdreich. Kein Wunder also, dass lustige Outdoor-Picknicks seit April zu unserem kulinarischen Familien-Alltag gehören wie das bunt schillernde Gefieder zum Papagei. Denn hey, hier draußen auf unserer Terrasse ist es vollkommen wurscht ob selbige nach unten fällt. Wurde in den karg-krümeligen Wintermonaten unser Kehrbesen zu meinem treuen Lover, habe ich ihn bei Sonnenschein mit dem heißblütigen Gartenschlauch eingetauscht. Denn auf unserer Terrasse, kann man einfach alles wegsprühen. So dachte ich zumindest. Bis uns kürzlich mein Schwager besuchte. Wir mampften gerade in glücklicher Eintracht die letzten Reste der süßen Geburtstags-Torte als mein Schwager beim Kauen plötzlich innehielt und angewidert sagte: „Was riecht denn hier so grauenvoll? Das ist ja unerträglich! Kann es sein, dass unter Eurem Terrassentisch gerade ein toter Fisch vergammelt? Ihr müsst das Aas unbedingt finden und beseitigen!“ Herrlich, wenn diese gepflegte Tisch-Konversation mal nicht appetitanregend wirkt. Aber leider hatte mein Schwager recht. Nur gut, dass wir für eine Woche verreisten. Denn wenn ich die Wahl habe, zwischen Aas aufzuspüren und zu beseitigen, dann packe ich lieber meine Koffer und entscheide mich für’s Schreiben. Ist so. Kann ich nicht ändern. Und manche Probleme lösen sich ja bekanntlich von selbst. Und so picknicken wir nach unserer Reise munter weiter. Nur wenn sich meine Kinder mal wieder im Fischstäbchen Weitspucken am Terrassentisch üben, greife ich schnell und vehement ein!

Rebellion an der Kleiderfront

Kleider und Kinder

Es sind die immer gleichen Fragen, die Mamas und Papas überall auf der Welt bewegen. Wie bringe ich mein Kind zum Schlafen bevor ich mich selbst, vor Müdigkeit unberechenbar geworden, in einem Erdloch verstecke mit der Aufschrift: „Bitte die nächsten sechs Jahre nicht stören, ich halte Winterschlaf!“ Wie überstehe ich das gemeinsame Essen mit Kleinkindern ohne im klebrigen Allerlei zu ersticken oder noch schlimmer, ohne einen furchteinflößenden Fetisch für Handstaubsauger und Kehrbesen zu entwickeln? Oder wie bringe ich meinen Nachwuchs dazu, sich konventionell und der Saison entsprechend zu kleiden? Eine ganz heikle Frage! Das merkte auch eine Schweizerin, deren Buch mich sehr amüsierte. Ihre dreijährige Tochter wählte zum morgendlichen Einkauf das folgende moderne Sommer-Outfit: knallbunter Badeanzug lässig kombiniert mit farbenfrohen Gummistiefeln und einer Kette aus selbst gebastelten Tampons. Auch wenn der Stenz gerne mal eine Duschhaube als trendige Kopfbedeckung trägt, ist sein Modebewusstsein lange nicht so avantgardistisch wie das der kleinen Schweizer Fashionista. Dennoch kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass das Verhältnis meines Sohnes zur Mode ein besonderes ist.

„Diese Duhe lieb‘ ich nicht“

Dass harmlos ausschauende Kleidungsstücke, wie zeitlose Turnschuhe, einen kleinen Menschen so in Rage bringen können, hätte ich vor meinem Dasein als Mama nie für möglich gehalten. „Diese Duhe (Schuhe) lieb‘ ich nicht“, erklärte mir der Stenz schon mit zwei Jahren voller Inbrunst und pfefferte die von mir heiß geliebten Mini-Chucks mit Schmackes in die Ecke. Um dann, man glaubt es nicht, mit einem breiten Lächeln in die wohl hässlichsten Schuhe der Welt, in kleine blaue Mini-Crocs zu schlüpfen. Mein Mutter- und Modeherz blutete und ich musste erst lernen, dass der Todesfeind N°1 für uns am Morgen Schuhe mit Schnürsenkeln sind. Doch nicht nur Schnürsenkel-Schuhe auch perfide Socken, die sich nach dem Aufstehen auf hinterlistige Weise dazu entschließen, mal ein bisschen Falten zu schlagen und sich an den Fußzehen ganz böse zu kringeln, verwandeln mein Kind in Etwas, das mich ängstigt und zur Überlegung bringt, einen Exorzisten zu rufen. „Endlich mal ein bisschen Ramba Zamba hier im Haus“, denken sich die blöden Socken und lachen hämisch in ihre Käsefuß-Aura. Auch lokalpatriotische Bayern-Outfits müssen präzise und mit Bedacht gewählt werden. „Nein, es muss das weiß blau karierte Hemd zur Lederhose sein, ein anderes ziehe ich auf garrrrr keinen Fall an!“ Und das aus dem Mund eines Vierjährigen, der vor kurzer Zeit noch nicht mal wusste, was eine Maifeier ist (zu dieser wollte er das Outfit nämlich tragen). Dass das einzig weiß blau karierte Hemd in seinem Kleiderschrank fünf Nummern zu klein war und lediglich bis knapp über den Hals reichte, war ihm dabei völlig schnuppe. In Modefragen ist der Stenz leider komplett beratungsresistent.

4°C und Sonnenschein, ideal zum Tragen der neuesten Sommermode

Ein weiteres hoch explosives Minenfeld, das unsere heimische Ankleide in ein Krisengebiet verwandelt, ist die Länge seiner Hosen und Shirts. Lange Beinkleider sind für den Stenz, seit die Märzsonne den bayerischen Tiefschnee sanft hinwegtaute, ein absolutes No Go. Die mütterliche Anordnung, bei Außentemperaturen von 4°C doch bitte die lange Hose anzuziehen, erscheint dem Stenz ähnlich absurd wie der Befehl auf unser Dach zu steigen um von dort zum Kindergarten zu fliegen. „Aber Mami, es scheint doch die Sonne, da muss ich kurze Hosen anziehen!“ startet mein Sohn seine sinnige Argumentationskette. Dabei beschleicht mich so eine leise Ahnung, warum der Stenz so seltsam in Mode-Dingen tickt. Und es könnte sein, dass ich daran nicht ganz unschuldig bin.

Frühkindliches Mode-Trauma

Der Stenz hat ein Trauma. Mit anderthalb Jahren verloren wir dummerweise auf einer Reise das einzige Paar Schuhe, das wir ihm in den Urlaub mitgenommen hatten. Wir verloren es unwiederbringlich in einer italienischen Serpentine weit oberhalb des Gardasees. Auf der Zielgeraden, wenige Kilometer vor unserem ersten Urlaubsort, entschied sich der Stenz dazu, seine Treterchen im Auto wild von sich zu schmeißen und zu brüllen. Vollkommen erschöpft hielten wir an. Als wir dann endlich weiterfuhren, hatte sich der Stenz zwar immer noch nicht beruhigt, aber seine Schuhe, die ich interimsweise auf dem Autodach geparkt hatte, waren für immer im italienischen Nirgendwo verschollen. Die Hotel-Badelatschen in Größe XS aus dicker Pappe halfen uns leider nicht wirklich über den herben Verlust hinweg. Und so mussten wir uns, auf unserer zweiten Feriendestination Elba angekommen, auf die Suche nach geeignetem Ersatz machen. Nun ist, wie wir bald merkten, auf einer kleinen Insel wie Elba, das Sortiment für Kleinkind-Schuhe in etwa so umfangreich wie in der damaligen DDR die Auswahl an exotischen Früchten. Wir erwarben für ihn blaue Taucherschuhe! Aus Neopren! Tragischerweise verschlampten wir auch noch seinen Sonnenhut. Ein entsprechendes Kappen-Substitut, das wir nach langer Suche aufspürten, schillerte auffällig pink und saß schon etwas spack. So flanierte der Stenz an der Strand-Promenade mit blauen Neoprenschuhen und wenig genderneutralem, viel zu kleinem Hut.

Emanzipation von der aufoktroyierten mütterlichen Transpiration

Warum mein Sohn so gerne freies Bein zeigt liegt wohl in der Tatsache begründet, dass er seit seiner Geburt schwitzen muss. Verantwortlich für diese unfreiwillige Transpiration bin wohl ich.  Denn ich friere immer und überall. Und so greife ich gerne auch noch Ende Mai zu wärmenden Strumpfhosen. Mein Kleiderschrank beeindruckt mit einer schier unendlichen Fülle an Rollkragenpullis. Im Winter trage ich beinahe durchgehend Thermo-Unterwäsche, bevorzugt zweilagig. Das Jack Wolfskin hässliche Mäntel entwirft ist mir vollkommen wurscht, ich kaufe sie trotzdem. Hauptsache sie sind warm. Und da ich immer und überall friere, versuche ich meine Kinder vor diesem Leiden zu schützen. Und zwar indem ich sie seit ihrer Geburt in Watte packe. Ich zähle zu den Müttern, bei denen Omas, Opas und Tanten entsetzt aufschreien und vor einem kindlichen Kollaps durch Überhitzung warnen. In diesem Fall bin ich allerdings diejenige, die beratungsresistent bleibt. Papperlapapp, erfroren sind schon viele, erschwitzt ist allerdings noch keiner! Gegen dieses unsinnige, von mir ins Leben gerufene Credo, streikt aber nun der Stenz. Er geht in Watte-Pack-Revolution und verzeiht mir bis heute den Taucherschuh-Faux Pas nicht. Zu Recht! Also bei der nächsten Rebellion an der Kleiderfront werde ich mein Verschulden an der Misere unbedingt im Hinterkopf behalten. Nur für die widerspenstigen Socken, für die kann ich wirklich nix!