Es lebe das Chaos!

Ich bin ein ordentlicher Mensch. Man könnte sogar sagen, ich neige zur Pedanterie. Ich bin ein Mensch, der gerne die beiden blau karierten Kissen mittig auf dem Eck-Sofa platziert und das blau rosa gemusterte Kissen kunstvoll als „Topping“ darauf drapiert. Da bin ich eigen. Das mit meinem Ordnungssinn und der Couch ist kompliziert. Ich habe ein ästhetisches Auge, das über die Raumordnung unseres Wohnzimmers wacht. Jedenfalls tat es das, bevor wir Kinder hatten. Jetzt, nachdem zwei Messies unser Haus belagern, kapituliert mein ästhetisches Auge allerdings regelmäßig.

Probates Mittel gegen Husten: Durchfall-Saft

Mein Ordnungssinn wird dabei kurz vor einer Reise besonders auf die Probe gestellt. Denn dann verwandelt sich unser Haus in das personalisierte Chaos. Der Grund ist, dass nicht nur unsere beiden Ordnungsbanausen im edlen Wettstreit um die maximale Unordnung antreten, sondern auch mein Mann und ich. Während sich mein Mann um so elementare Bestandteile des Kofferinhaltes wie Schwimmflossen und Schnorchel-Brille für das sieben Monate alte Baby kümmert, überlege ich mir, in unserer Urlaubsdestination eine Apotheke mit deutscher Markenware zu eröffnen. Denn meine medizinischen Vorräte sind mehr als ausreichend, um ein ganzes sardisches Dorf für mindestens ein halbes Jahr bei allen gesundheitlichen Notfällen zu versorgen. Nach DEM Horrorvirus, der uns vor zwei Wochen heimsuchte kommt nun jedes Familienmitglied sicherheitshalber in den Genuss eines eigenen Reise-Antibiotikums. Ich bin gewappnet und froh, in diesem Jahr hoffentlich nicht mit Händen und Füßen bei der italienischen Vollblut-Apothekerin, die nur ihrer Muttersprache mächtig war, vorzusprechen. So waren meine Pantomime-Künste vor einem Jahr wohl so miserabel, dass ich anstatt des gewünschten Hustensaftes, ein Mittel gegen Durchfall überreicht bekam. Dabei liefern sich mein Mann und ich beim Packen gefühlsschwangere Wortduelle.

Wild-Ragout – des Babys liebste Speise?

Denn mein Mann hat sich selbst zum Wächter wider das Übergepäck ernannt und wacht beim Packen akribisch über jedes Kilo. Mein eigentlich nicht zu Hysterie neigender Mann fängt an zu toben als ich versuche, meinen geliebten Pari-Boy, das Inhalationsgerät, in die Weiten meines Koffers hinein zu schmuggeln. So feilschen wir um jedes Teil, vor allem bei den Baby-Gläschen. Denn was Baby-Kost im Ausland anbelangt, bin ich misstrauisch geworden. So wurde unser Sohn während seines ersten Urlaubs auf Elba wider Willen dazu verdonnert, Kaninchen und Wildschwein Ragout zu verspeisen, denn etwas Anderes gaben die von uns aufgesuchten Insel-Supermärkte als kommerzielle Kleinkind-Kost nicht her. Der Stenz, der seit jeher bei seiner Nahrungsmittelaufnahme zu kapriziösem Ess-Verhalten neigt, verschmähte natürlich das edle Gläschen-Wild und ernährte sich auf besagter Reise ausschließlich von Blaubeeren und Milch.

Ein Hoch auf 10 Grad und Nieselregen!

Dabei beglückwünschten wir uns beim Packen immer wieder, dass seit heute zum Glück nicht mehr so eine Affenhitze in Deutschland herrschte. Das war ja kaum auszuhalten. Wie gut, dass in unserer Urlaubsdestination heiße 40 Grad vorausgesagt wurden. Besonders schön, wenn man mit einem babyspeckigen Säugling verreist, der zu starker Transpiration neigt.

Piraten ahoi – der Stenz reist mit schwerem Gepäck

Während mein Mann und ich uns noch um die richtige Zusammensetzung unseres Gepäckes stritten, hatte der Stenz seine Reisevorbereitungen abgeschlossen. Er war mit sich und seinem Kofferinhalt im Reinen. Der Stenz saß zufrieden inmitten unzähliger Uno Karten, bunt gefächerter Malstifte und einer Millionenstadt aus Legomännchen. Doch all dies sollte nicht mit in den Urlaub. Denn diesem bizarren Spiele-Konglomerat kam ein anderes Schicksal zuteil: ihm war beschieden, weiterhin unser heimisches Wohnzimmer zu verschönern. Stattdessen zeigte der Stenz voller Stolz auf seinen Reise-Rucksack. Beim ersten Anheben fiel mir spontan auf, dass dieses kleine Handgepäck im Begriff war, locker die Gewichtsgrenze unseres Hauptgepäcks zu sprengen. Denn mit nach Sardinien sollte nicht nur das gesamte sehr ansehnliche Stöcke Arsenal des Stenzes, sondern auch die schönsten und größten Wackersteine, die der Stenz in den letzten drei Jahren auftreiben konnte. „Dieser Piratenschatz muss unbedingt mit!“ Da gab es kein Pardon.

Freie Fernsicht für das Baby

Seine Schwester, das Baby hingegen sollte mit verhältnismäßig leichtem Mini-Rucksäckchen gen Süden fliegen und zwar mit des Stenzes kleinem Fernrohr. So war das Baby als ich kam gerade dabei gegen seinen Willen, einen Fernrohr- Seh- Lehrgang beim Stenz zu absolvieren. Was allerdings in großem Geschrei endete. „Ich will doch unserem Baby was lernen!“ wiederholte der Stenz voller Verzweiflung und mit jeder Menge lehrmeisterlichem Pathos. Aber das Baby war nicht wissbegierig und wollte von seinem Bruder nichts lernen. Vor allem dann nicht, wenn der Lernvorgang darin bestand, ein Fernrohr feste aufs Auge gedrückt zu bekommen. Na ja, wenn das kollektive Geschrei ein Ende hat, sollte es morgen gen Süden gehen. Mit im Gepäck: Babygläschen, Schwimmflossen, Wackersteine und ein Mini Fernrohr, aber ohne den Pari-Boy!