Mein Mann liebt vieles. Frühes Aufstehen liebt er nicht. Man könnte sogar sagen, dass er das frühe Aufstehen fürchtet wie einen Cholerabefall. Und da der Flug nach Cagliari letztes Jahr mit frühem, ja sogar sehr frühem Aufstehen verbunden gewesen wäre, hatte sich mein zu Optimierungen neigender Mann überlegt, unsere sommerliche Urlaubsreise unter das Motto „Aus kurz mach lang“ zu stellen.
Denn um frühes Aufstehen zu vermeiden, optimierte er unsere Reiseroute dahingehend, dass wir nicht nonstop 90 Minuten von München nach Cagliari flogen, sondern mehrmaliges Umsteigen und Aufenthalte an verschieden Flughäfen eingeplant wurden. Ganz nach der Devise „Der Weg ist das Ziel“. Denn wer will schon einen Non-Stop Flug, wenn man sogar für weniger Geld und spätes Aufstehen die Schönheiten des Flughafen Roms bewundern kann. Dabei durfte ich das Duty Free Erlebnis am Airport von Rom als hochschwangere Wurstpelle auf zwei Beinen antreten. Und zwar als schlecht gelaunte Wurstpelle. Denn bei 30 Grad im Schatten wurde ich dank Thrombosestrumpfhosen immerzu von klaustrophobischen Attacken heimgesucht. Schon allein das Anziehen dieser Nylon-Ungetüme kam einer Folterung gleich und ließ mich an der gesamten Reise zweifeln.
Geplatztes Trommelfell – ideale Voraussetzungen für einen reibungslosen Flug
Auch dieses Jahr steht unsere Reise zu unserem sardischen Strand-Häuschen unter keinem guten Stern. Auch wenn es diesmal dank Direktflug ganz andere Herausforderungen zu bezwingen gilt. Das Baby ist geschlüpft und mit ihm eine enorme Anzahl an Säuglings-Utensilien. Schon Tage zuvor bin ich maximal nervös ob der bevorstehenden Alpentraverse mit zwei Kleinkindern. Denn das Baby überraschte uns eine Woche vor Reisebeginn mit so etwas Absonderlichem wie einem geplatzten Trommelfell. Auch wenn die Kinderärztin, um mein äußerst sensibles Naturell wissend, diese Diagnose etwas euphemistischer mit den Worten stellte: „ja, da kam es wohl zu einem kleinen Löchlein im Trommelfell“, schrillten bei mir alle mütterlichen Alarmglocken. Denn nicht nur das Baby, auch der Stenz und ich waren bis über beide Ohren verschnupft. Ausgestattet mit allem, was die Nase freimacht, betraten wir letztendlich trotz aller Malaisen frohen Mutes den Münchner Flughafen.
Defekte Toiletten und Rolltreppen am Flughafen, wunderbar!
Doch die gute Laune verflüchtigte sich, als wir mit gefühlten hundert Handgepäckstücken, einem Auto-Kindersitz, einem sperrigen Kinderwagen samt Maxi Cosi und zwei Kleinkindern der Tatsache gewahr wurden, dass der Fahrstuhl, der uns ins Untergeschoss zu unserem Gate fahren sollte, streikte. Ich erwog kurzzeitig unsere gesamte Bagage einfach die Rolltreppe hinunterzuwerfen. Stattdessen nahm ich dann aber doch das Baby, einen Rollkoffer und des Stenzes Mini-Rucksack und fuhr damit treppabwärts, während der Mann unter lautem Ächzen den Kinderwagen zusammenzuklappte und mir samt zweitem Rollköfferchen folgte. Im Schweinsgalopp ging es dann zum Gate, da unser Familiennamen schon durch den Lautsprecher hallte. Erst hier merkten wir, dass wir im Eifer des Gefechts irgend etwas Elementares vergessen hatten. Oh Gott, der Stenz fehlte! Er stand schreiend oben auf der Rolltreppe. Als Landkind war ihm die Fortbewegung auf fahrenden Stufen wohl suspekt. Um unsere Reise auch für unsere Mitmenschen interessant zu gestalten, ließen wir sie einfach an unserem Italien-Trip partizipieren. So auch an des Stenzes Rolltreppen-Intermezzo. Ein beherzter Rentner schnappte sich nämlich unseren Stenz und meine Handtasche, die ich schlauerweise ebenfalls im oberen Stockwerk vergessen hatte, und bot beiden feierlich sein Geleit nach unten an. Doch nun folgte das nächste Abenteuer. Der Stenz musste Pipi und zwar dringend! Schade, dass keine einzige Toilette im unteren Stockwerk funktionierte. Mittlerweile schallte unser Familienname bereits zum zweiten Mal durch die Weiten des Airports. Herrlich! Ich wieder mit dem Stenz die Rolltreppe nach oben gespurtet. Nun bekam auch das kleine Landei Routine bei dieser modernen Stockwerk-Bezwingung. Aber auch hier oben schienen die Toiletten in einem Radius von 2 km außer Betrieb. Irgendwie schafften wir es dann doch noch rechtzeitig des Stenzes Blase zu entleeren und kurz vor Abflug alle Familienangehörigen mit dem lebensnotwendigen Sprühstoß der verschiedensten Nasentropfen zu bedenken und dann ging es endlich mit lautem Getöse ab in die Luft.
Busenblitzer über den Wolken
Auch hier boten wir unseren Mitreisenden einiges zum Staunen. Denn das Baby, das vom HNO-Arzt strengstens dazu verdonnert wurde, bei Start und Landung zu trinken, wollte alles bloß keine Milch. Wie sollte man sich an Mamas Brust erfreuen, wenn es doch so viel Interessanteres zu entdecken gab. Dabei hatten es dem Baby vor allem die Spucktüten an unseren Vordersitzen angetan. Ich konnte mich barbusig so viel wenden und drehen wie ich wollte, keine Chance, das Baby wollte die Spucktüte und nicht die Brust! Dafür kamen aber sämtliche Passagiere in den Genuss, meinen freizügigen Tanz mitanzusehen, den ich um die Aufmerksamkeit des Babys zu erhaschen, linkisch vollführte. Allen voran, der Stewart und der stieläugige Rentner schräg vor mir. Allerdings zeigte sich letzterer nach der Landung für meinen kleinen Striptease erkenntlich. Denn als der Stenz nach einer kurzen Besichtigung des Cockpits aus dem Flugzeug stürzte, vergaß ich bei dem Versuch ihn einzufangen mal wieder die Hälfte. Wenigstens hatte ich diesmal keines meiner Kinder vergessen. Mein im Flugzeug noch geduldig wartender Mann war allerdings mit der Masse unseres Handgepäcks heillos überfordert und haute in seiner Verzweiflung den betagten Busen-Voyeur um seine tragende Hilfe mit Köfferchen und Co an.
Müll-Weitwurf in der Autovermietung
Nachdem wir bei glühender Hitze an der Gepäckausgabe auch die weiteren zehn Tonnen Reise-Bagage in Empfang genommen hatten, enterten wir euphorisch die Autovermietung. Denn der Stenz war im Glück, dass er seiner Ziel-Destination bald näher kommen sollte. Schon seit Tagen befragte er uns jeden Abend, wie oft er denn noch schlafen müsse, bis wir endlich nach Sardinien aufbrachen. Hier in der Autovermietung wähnte er sich allerdings immer noch irgendwie in heimischen Gefilden. Denn er erzählte mir vollkommen aufgeregt, wie sehr er sich doch freue, endlich bald nach Sardinien zu kommen. Für ihn schien wohl nur unser Häuschen am Meer auf sardischem Terrain zu liegen. Vollkommen aufgedreht dachte sich der Stenz in der einstündigen Wartezeit bis zur Schlüsselübergabe zahlreiche Spielchen aus. Seine Gefährten waren pausbäckige, blond beschopfte Kinder, die genauso außer Rand und Band schienen wie er. Eines der Spiele hieß „Müll weit werfen“. Erst musste jeder Dreck auf dem Boden, der nicht allzu reinlichen Autovermietung ausfindig gemacht werden, um anschließend mit Pauken und Trompeten soweit und hoch wie möglich in die Luft geschleudert zu werden. Ein weiteres lustiges Spielchen, das sich der kreative Stenz überlegte hieß: „ramme unseren haushoch gestapelten Gepäckwagen in die Hacken unseres Vordermannes in der Schlange!“ Doch bevor wir des Platzes verwiesen werden konnten, war es endlich so weit, wir konnten die finale Reise nach Sardinien in unserem Auto antreten.
Über Stock und Stein zum Haus am Meer
Allerdings nahmen wir, wie jedes Jahr nicht den direkten Weg zu unserem Häuschen. Das wäre zu einfach und wider unser Pfadfinder-Naturell. Nachdem der Stenz vor drei Jahren nämlich über die kurvige Küstenstraße an jeden sardischen Oleander kübelte, war für uns oberste Prämisse jegliche Serpentinen zu vermeiden. So ging es dann durch das sardische Hinterland. Und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Zunächst führte uns das vollkommen umnachtete Navigationsgerät auf das Militärgelände, das die Start- und Landebahn des Flughafens umgab. Nachdem wir diese Sehenswürdigkeit unfreiwilligerweise eine halbe Stunde umrundet hatten, führte uns eine „Einbahnstraße der Hölle“ nach weiteren 45 Minuten endlich auf die gewünschte Autobahnauffahrt. Während dieses Horror-Trips kamen uns kilometerlang Autos mit einem Abstand von ca. 3 cm entgegen, sodass ich irgendwann die Augen schloss um nicht mehr mit ansehen zu müssen, wie wir sämtliche Kakteen Sardiniens entwurzelten und den ein oder anderen italienischen Kleinwagen streiften. Allerdings konnte ich auch mit geschlossenen Augen das Baby schreien und den Stenz jammern hören „Mami, mir ist so schlecht.“ Nachdem ich dem Stenz eine Spucktüten gereicht und des Babys Schweißperlen getrocknet hatte, kamen wir doch tatsächlich an in unserem Häuschen am Meer. Welch‘ eine Odyssee! Doch jede Minute dieser unterhaltsamen Reise hatte sich gelohnt! Denn tatsächlich angekommen in Sardinien, genossen wir eine unbeschreiblich schöne Zeit in unserem zweiten Zuhause.