Happy Birthday to you, Marmelade im Schuh, Aprikose in der Hose, Happy Birthday to you!

Happy Birthday to you - Schokolade im Schuh!

Kindergeburtstage haben ja unter Erwachsenen einen eher schlechten Ruf. Zu unrecht wie ich finde. Es ist Anfang Dezember und ich habe schon mindestens zwei Kilos zugenommen, obwohl ich noch keinerlei Vanille-Kipferl oder Weihnachtsknödel verspeist habe. Der Grund, das Baby und ich sind fast täglich auf Geburtstagsfeiern von Ein- oder Zweijährigen geladen. Herrlich. Nicht nur das Baby, sondern auch mein Bauch sind durch die Festivitäten in heiterer Stimmung. Und morgen stehen wieder süße Geburtstags-Muffins auf dem Speiseplan. Eingeladen wurde per Whats App und Gruppen-Chat. Man muss das ja noch ausnutzen, solange die Kinder so klein sind und keine, von Mama in stundenlanger Kleinstarbeit gebastelten Einladungs-Meisterwerke erwarten.

Norvirus trifft Kindergeburtstag

Daher finde ich diese Handy-Einladungen ganz großartig. Man weiß dank Chat, wer kommt und was die Gäste im Vorfeld so beschäftigt. Ich lese zum Beispiel am Vorabend des großen Festes von einer anderen Mama folgende Nachricht: „Unser Kleiner hat sich heute leider 37 Mal übergeben und ich bin noch nicht sicher, ob ich es morgen mit ihm zur B-Day-Party schaffe.“ Wahnsinn, ich bekomme schon beim Lesen der Nachricht einen unglaublichen Brechreiz und bin versucht zu schreiben: „Bitte, bitte bleib’ zu Hause!“ Um Himmels Willen, ich bin so hypochondrisch, dass ich meinem Sohn quasi ganzjährig die Haare mit stinkendem Weidenrinden-Shampoo einseife, damit er bloß keine Läuse bekommt. Höre ich, dass in Schleswig-Holstein ein Norovirus tobt, ziehe ich die zeitweise Quarantäne unserer gesamten Familie in Erwägung. Denn die Distanz zwischen Bayern und Schleswig-Holstein wird gemeinhin unterschätzt. Auch steht in fast jedem unserer Räumlichkeiten zu Hause eine performante Flasche Virugard – laut unserer Kinderärztin, das beste Desinfektionsmittel weit und breit. Dieses wird nach dem Kindergarten großflächig auf dem Stenz verteilt und auch das Baby darf bereits hin und wieder ein ausgiebiges Handbad in diesem Keim-Killer nehmen. So lebt die örtliche Apotheke von unseren monatlichen Virugard-Bestellungen, mit denen wir locker ein städtisches Krankenhaus bestücken könnten.

Jungfernfahrt mit Hindernissen

Und nun soll ich mit meinem Baby zu einem Kindergeburtstag, auf dem eventuell ein infizierter Brech-Durchfall-Erkrankter neben uns an der Torte schnabuliert? Danke, lieber nicht. Dem ein oder anderen mag meine Reaktion etwas übertrieben erscheinen, aber ich habe seit Jahren eine veritable Brech-Phobie. Diese liegt wohl darin begründet, dass mein erster Freund seine Prämiere eines Vollrausches in meinem Elternhaus zelebrierte. Ein weiterer Auslöser war mein bester Freund. Er begoss den Erwerb meines Führerscheins indem er ein wenig zu tief ins Glas blickte, sodass er mir,  der blutjungen Fahr-Anfängerin bei meiner zweiten offiziellen Autofahrt quasi von hinten ins Genick kübelte. Sei es wie es ist, ich habe ein schlimmes Brech-Trauma, das leider auch schon vom Stenz Besitz ergriffen hat. Denn im zarten Alter von drei Jahren erfuhr er bereits ähnliche Pein: Auf einem Kindergeburtstag brach ihm kurzerhand sein Sitznachbar auf den Arm – zur feierlichen Einstimmung auf die Tortenschlacht sozusagen. Der Stenz wollte den Kindergeburtstag für sich mit sofortiger Wirkung beenden und das Weite suchen. Sehr unhöflich, aber für mich absolut nachvollziehbar.

Käfer in Schockstarre

Mit Kindern ist man ja irgendwie immer so ein bisschen auf der Hut. Gestern zum Beispiel lagen wir alle im Bett und tobten wie verrückt. Dabei lieferten sich das Baby und der Stenz einen edlen Wettstreit, wer denn die lautesten „Pups-Geräusche“ auf meinem Bauch und an meinem Hals vollzöge. Beide Kinder waren fast ohnmächtig vor Lachen. Auch das Baby frohlockte und quietschte lauthals vor Vergnügen. So sehr sogar, dass es auf einmal fontänenartig den zuvor verspeisten Bananen-Brei auf meinen Bauch spuckte. Ein herrliches Gefühl, wenn das allgemeine Lachen unvermittelt in großes Gebrüll umschlägt. Das Baby schrie, der Stenz schrie und ich lag wie ein Käfer in Schockstarre auf dem Rücken mit Erbrochenem auf dem Bauch. Schade, dass just an diesem Abend der Mann, der bei uns für die Beseitigung eines solchen Schlamassels zuständig ist, nicht zugegen war. Doch gemeinsam mit dem Stenz, der in Windeseile mit seinem Schlafsack in Richtung Feuchttücher hüpfte, bewerkstelligten wir auch diese familiäre Herausforderung. Doch fortan bin ich bei Pups-Geräusch-Wettbewerben auf meinem Körper in Habachtstellung!

Kindermund tut Wahrheit kund

Auf dem Kindergeburtstag unseres kleinen Freundes war mir Fortuna glücklicherweise hold gesonnen:  Der Norovirus blieb fern. Und so war es ein wundervolles Wiegenfest mit reichlich Kuchen, Ballons und keinem einzigen weinenden Kind. Alle Gratulanten samt dem Mini-Gastgeber strahlten um die Wette und erfreuten sich an einem Glucose-Rausch. Das Baby und ich amüsierten uns ebenfalls prächtig. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt als der kleine Jubilar mir mit seinen Engelslöckchen entgegentrat, ganz eindeutig auf mich zeigte und mich wie folgt anredete: „Du, Oma!“ Plötzlich herrschte Stille. Ich schaute perplex, vielleicht auch ein klein wenig irritiert. Und da kam es wieder: „Du, Oma!“ Kein Zweifel, das Geburtstagskind verwechselte mich gerade mit seiner Großmutter. Ich weiß, dass ich seit ich Kinder habe, exponentiell gealtert bin, aber es so direkt und ohne Umschweife zu erfahren ist hart. Da half auch nicht der beschwichtigende Einwand der Geburtstagskind-Mama „Aber er liebt seine Oma über alles.“ So eine Aussage sitzt. Und auch der Stenz, dem ich von dieser wenig charmanten Anrede berichtete, entgegnete sehr ehrlich. „Mami, das war kein gutes Lob!“. Und da hat er wohl recht.

Das Tollpatsch-Gen

Mama flutet Badezimmer

Vor ein paar Wochen erhielt ich eine Anfrage einer Produktionsfirma, ob ich Interesse hätte, an einem neuen TV-Format mitzuwirken. Im Rahmen dieser neuen und spektakulären TV-Show hätte ich die einmalige Gelegenheit, die peinlichsten Anekdoten aus meinem Leben vor einem Millionenpublikum kundzutun. Dabei pries der Herr von der Produktionsfirma seine eigene Recherche-Genialität. Er freute sich wie ein Schneekönig darüber, dass er im World Wide Web fündig geworden und auf mich gestoßen sei. Denn ich könnte ja wahrlich so allerhand Peinliches berichten. Welch’ wunderbares Kompliment und was für eine unglaubliche Offerte! Trotz dieser Chance, mich vor aller Welt mit anderen liebenswürdigen Tölpeln namens Kevin, Dustin und Shayenne zum Affen zu machen, lehnte ich sein generöses Angebot dankend ab und wünschte ihm für seine Mission ganz viel Erfolg.

Vishnu – von wegen Gott der Zerstörung

Doch irgendwie kam ich nach dieser seltsamen Anfrage ins Grübeln. Warum passieren mir eigentlich immer so bizarre Dinge? Einer der Gründe ist sicherlich, dass ich eine gewisse genetische Disposition zur Tollpatischigkeit in mir trage. Ein mir sehr nahestehender Verwandter wird von uns allen, wenn er mal wieder die Kaffeetasse quer über den Frühstückstisch schmeißt, nur liebevoll „Vishnu“ genannt. Irgendwie unterlag meine Familie der irrigen Annahme, dass Vishnu im Vedismus, der Gott der Zerstörung sei. Allerdings habe ich gerade bei der Recherche zu diesem Text erfahren, dass Vishnu im Hinduismus als der „Welt-Erhalter“ gilt. Tja, da müssen wir uns wohl über kurz oder lang einen anderen Spitznamen ausdenken. Sei es wie es ist, dass ich ab und zu in der Patsche sitze ist auf jeden Fall erblich bedingt. Da kann ich nichts für.

Chucks mit Hundekacke, kein wirkliches Aphrodisiakum

Meine Karriere als Tollpatsch begann schon relativ früh, soweit ich mich erinnere mit ungefähr vierzehn Jahren. Da hatte ich nämlich ausnahmsweise einmal donnerstags Klavierunterricht. Und so wurde mir das Glück zuteil, meiner großen Liebe, die ich jahrelang nur aus sicherer Entfernung anbetete, doch tatsächlich einmal auf engstem Raum zu begegnen. Und während ich da so auf dem Boden des acht Quadratmeter großen Unterrichtsraumes kauerte und den himmlischen Klavierklängen meines Angebeteten lauschte, bemerkte ich plötzlich Schreckliches:  Ich hatte wohl auf dem Weg zur Klavierstunde ein recht unschönes Souvenir mitgenommen und zwar in Form eines Hundehäufchens. Das gute Erinnerungsstück klebte nun stinkig an meinem linken Chuck. Tollpatschigkeit ist eine Sache, wenn dann aber noch kosmische Verschwörung ins Spiel kommt, ist das gemein. Richtig gemein. Welche Pein erlitt ich damals, als sich mein Schwarm nach dem Ende seiner Klavierstunde unvermittelt in meine Richtung drehte, mich fragte, was denn hier so grauenvoll müffele und wer denn eigentlich das bezaubernde Geschöpf gewesen sei, mit dem ich heute auf dem Pausenhof entlang spaziert wäre? Und ob er wohl ihre Telefonnummer von mir bekäme? Bingo! Was ein Volltreffer. Glücklicherweise folgten dieser ersten großen Liebe noch weitere, die auf mehr Gegenseitigkeit beruhten.

Ich, der natürliche Feind aller Apple-Produkte

Und schließlich bin ich meinem Mann über der Weg gelaufen, der seit fast fünfzehn Jahren meine Tollpatschigkeit mit lachendem Auge erträgt. Das rechne ich ihm hoch an. Gerade in Zeiten, in denen seine „Augäpfelchen“ meiner Schusseligkeit zum Opfer fallen. Denn all seine Apple Produkte befinden sich durch meine Existenz in steter Lebensgefahr. Ein iPhone habe ich bei einem Schwimmbadbesuch geflutet. Nicht, dass ich so blöd war, es in den Pool zu werfen. Nein, es erlitt in meinem Rucksack durch eine auslaufende Wasserflasche einen Totalschaden. Zu meiner Verteidigung muss ich aber sagen, dass ich ihm nach der erfolgreichen Flutung einen adäquaten Ersatz verschaffte. Irgendwie gefiel ich dem Apple-Angestellten, dem ich unter Tränen mein Malheur schilderte und er händigte mir doch tatsächlich gratis ein niegelnagelneues Handy aus. Bei dem Macbook Pro, das ein Jahr später unglücklicherweise Bekanntschaft mit einer Johannisbeerschorle machte, hatte ich nicht mehr so viel Glück. Ach ja, und bei dem zweiten iPhone, dass ich versehentlich im Klo eines Wellnesshotels versenkte auch nicht.

Stilldementer Multitasker droht im Badezimmer zu ertrinken

Doch neben dem Tollpatsch-Gen ist sicherlich auch die Tatsache, dass ich Kinder habe, ein Grund dafür, warum ich ab und zu in eigenartige Situationen gerate. Denn seit ich Mama bin, habe ich mich zu einem wahren Multitasker gemausert. Ein Multitasker, der zeitweise unter Stilldemenz litt. Wenn man zehn Dinge gleichzeitig tut passieren eben auch mal kleine Fehlerchen. Wie heißt es im Volksmund so schön „wo gehobelt wird, da fallen auch Späne“, oder es fließt Wasser. Ein ganz normales Bespiel meiner meisterhaften Simultan-Tätigkeiten mit fragwürdigem Ausgang ist das Folgende: Ich lasse Badewasser ein und versuche währenddessen das Baby plantschbereit zu machen. Na ja, das ist eigentlich etwas euphemistisch ausgedrückt. Eigentlich stürze ich mich in den täglichen Wickel-Kampf. Denn das Baby mag es nicht sonderlich, gewickelt zu werden. Und während das Badewasser fröhlich vor sich hin plätschert, versuche ich das Baby davon abzuhalten, mit seinen Händen und Füßen in die prall volle Windel zu packen. In diesem Wickel-Kampf ist alles erlaubt. Um ihn zu gewinnen, schreie ich lauthals: „Muh, macht die Kuh, Kikeriki macht der Hahn, wau, wau macht der Hund! Und die französische Kuh macht meuh, der französische Gockel kräht cocorico und der francophile Hund bellt wouaf.“ Es soll ja nicht umsonst gewesen sein, dass ich in Frankreich studiert habe. Während ich auf phantastische Weise Tierstimmen international imitiere und pantomimisch auszudrücken versuche, jongliere ich zur visuellen Ablenkung des Babys akrobatengleich mit fünf bunten Armreifen, helfe dem Stenz, der ebenfalls mit der Quietsche-Ente um die Wette schwimmen möchte, aus seinem rechten Hosenbein und versuche, die miefige Windel mit Karacho in den Müll zu werfen. Wahnsinn. Die Nummer, die ich hier gerade unter Aufbringung all meiner Kräfte vollführe, ist so tollkühn, dass ich dabei bei „Wetten dass“ auftreten könnte. Ich bin mir sicher, alle Zuschauer würden vor Spannung die Luft anhalten. Die Frage, die alle beschäftigen würde: trifft sie den Windelmülleimer oder nicht? Leider nicht, aber das ist mein geringstes Problem. Plötzlich halte ich die Luft an. Denn aus dem Badezimmer schwappt mir eine Welle, garniert mit Badeschaum entgegen. Der Stenz jubiliert: „Mama, das ist ja toll, jetzt können wir auch auf dem Badezimmerboden schwimmen!“ Die Kombination aus Tollpatsch-Gen, Mutitasking und Stilldemenz ist eine Fatale! Das sage ich mir immer wieder, während ich nur einer einzigen Tätigkeit nachkomme, nämlich das Badezimmer trocken zu legen.

Mein Rollköfferchen und ich

Solo-Reise mit Hindernissen

Alleine. Nur für mich. Mein Herz hüpft und meine Ohren glühen vor Vorfreude. In wenigen Tagen werden sie nichts vernehmen, außer absoluter Stille! Wenn Ohren lächeln könnten, würde ich sie heute quasi von Ohr zu Ohr grinsen sehen. Denn es steht die erste Evaluierungsreise ohne Familie auf dem Programm – nur ein winzig kleines Rollköfferchen und ich. Ich kann mein Glück kaum fassen. Das letzte Mal als ich mich alleine auf Reisen begab, machte ich mich auf den Weg zu einer 500 km entfernten Beerdigung. Das war vor drei Jahren. Ich möchte nicht pietätlos klingen, aber was war das für ein friedvoller Trip. Alleine. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe meine Familie inbrünstig und mit jeder Pore meines Herzens – aber nach knapp 1.095 Tagen des ständigen Zusammenseins, sehne ich mich nach ein klein wenig Abstand.

Murphy – Du Mistkerl!

Doch Murphy hat sich gegen mich verschworen. Er gönnt mir diese Reise nicht. So ein Mistkerl. Es ist Freitagabend und ich möchte mein Auto besteigen, um Essensvorräte für meine Liebsten zu kaufen, damit sie während meiner zweitägigen Abwesenheit nicht vom Fleisch fallen. Aber mein Auto springt nicht an. Es tut sich nichts. Gar nichts. Nada. Der gerufene Mechaniker rät mir zum Abschleppen. Wundervoll. Kein Auto, keine Reise, denke ich und wähle verzweifelt die Nummer meiner Reisebegleitung. Denn ganz alleine verreise ich doch nicht. Ich nehme eine Co-Testerin mit. Sie ist weiblich und erwachsen. Herrlich. Und zu meinem Glück verfügt sie über ein Auto. Ein sehr kleines Auto. Einen Smart. Einen Smart, der noch mit Sommerreifen bestückt ist. Und da Murphy ganze Arbeit leistet, fängt es Sonntagnacht an zu schneien.

Eine verhängnisvolle Alpen-Traverse

Der Plan war, Montagmorgen in aller Frühe aufzubrechen, um bloß keine der kostbaren Wellness-Minuten zu verpassen. Und jetzt schneit es. Nicht nur so ein paar Flöckchen. Nein, es scheint als würde der gewaltige Himmel als großer weißer Klumpen auf meinen Kopf fallen. Es sind gigantische Riesenflocken, die da runterkommen. Und da es zu einem Hoteltest in die Berge geht, laufen vor meinem inneren Auge die verschiedensten Unglücks-Szenarien ab. Denn ob mit einem sommerbereiften Smart oder einem Mini-Moped – beide Fortbewegungsmittel scheinen mir für die geplante Alpen-Traverse gleichermaßen ungeeignet. Allerdings würde ich bei dem momentanen Schnee-Chaos nie auf die Idee kommen, mit dem Moped aufzubrechen. Und so bin ich mir unsicher, welche bevorstehende Todesart mich am meisten schreckt: Die, bei der wir von einem LKW zerquetscht werden oder doch eher die, bei der wir schlitternd an einer Gebirgswand zerschellen? Ich rufe die Co-Testerin an, um sie zu fragen, welches Lebensende ihr tragischer vorkommt. Und obwohl wir in einer Stunde losfahren wollen, erreiche ich sie nicht. Denn laut einer letzten finalen Handy-Nachricht, hat ihr Mobil-Telefon heute Nacht seinen Geist aufgegeben.

Her mit der Geburtstagstorte!

Wenn sehr große Vorfreude zerplatzt ist das ein niederschmetterndes Gefühl. Es ist ein bisschen so, als würde dem Geburtstagskind kurz vor dem ersten Bissen die Geburtstagstorte herzlos entrissen. Ich könnte heulen. Der euphorische Vorschlag des Mannes, dass er und die Kinder mich nun doch auf die Reise begleiten könnten, animiert mich auch nicht gerade zu ekstatischen Luftsprüngen. Doch nachdem sich der Kloß in meinem Bauch so aufgebläht hat, dass selbst Königsberger Klopse im Vergleich wie kleine Klöpschen erscheinen, passiert das Wunder: Murphy zeigt Erbarmen. Die Co-Testerin ruft an und überrascht mit der freudigen Nachricht, dass sie mit dem Leihauto bereits auf dem Weg zu mir ist. Eine kleine Schreckminute erfahren wir noch kurz vor dem finalen Aufbruch gen österreichische Schluchten. Denn schon in unserer Auffahrt bleibt unser Vehikel im Schnee stecken und wir rammen beinahe das Auto des Mannes. Zum Glück nur beinahe! Es gelingt uns in letzter Sekunde, die Klippe dieser heimischen Karambolage zu umschiffen. Mit Elan düsen wir dann endlich mit unserem Leihwagen slowakischen Kennzeichens Richtung Österreich. Welch’ ein Glück, welch’ eine Wonne! Und nach zwei großartigen Tagen geht es tiefenentspannt zurück in mein Leben. Wie habe ich mich gefreut, die kleinen Ärmchen des Babys um meinen Hals und die Stenz’schen Küsse auf meinen Wangen zu spüren! Und der Mann? Der hat Kind und Kegel mit Bravour gewuppt. So kann ich den folgenden 1.095 Tagen mit Familie erholt entgegensehen. Und vielleicht klappt die nächste Auszeit ja schon etwas früher?

 

15 Dinge, die ich bei meiner ersten Solo-Reise, dessen Ziel keine Beerdigung ist, nicht vermisse:

Solo-Wellnessreise
  1. Im Auto kein Gejammer von der Rückbank und keine unentwegten Fragen: „Wann sind wir endlich da?”
  2. Keinem meiner Mitfahrer ist schlecht, zu heiß, zu kalt, zu langweilig oder in irgendeiner Form unwohl. Ganz im Gegenteil, ich erfreue mich an espritvoller Konversation unter Erwachsenen.
  3. Es herrscht eine friedvolle Stille im Auto, die nicht von erstklassiger Musik wie „Grün, grün, grün“ oder der Stimme von Pumuckl akustisch unterbrochen wird.
  4. Keine Brech-, Pipi-, Wickel- oder Schrei-Pausen.
  5. Kein Check-In mit Hindernissen. Denn keiner meiner Mitfahrer schläft kurz vor der Ankunft im Hotel ein. Daher muss ich keinen meiner Mitreisenden mit der schleichenden Grazie eines GSG 9 Sonderkommandos ins Hotelzimmer verfrachten.
  6. Das Bälle-Paradies und der im Keller befindliche Kids Club bleiben von mir bei diesem Hoteltest unbesucht.
  7. Ich genieße im Hotel-Restaurant ein freudvolles Dinner bei dem keine Pommes mit Ketchup und auch kein Gemüsebrei bestellt werden.
  8. Abends wird doch tatsächlich noch ein Cocktail an der Bar geschlürft anstatt wie gewohnt ein dreistündiges Einschlaf-Zeremoniell zu zelebrieren. In meinem Hotelzimmer erklingt daher weder eine unendliche Einschlafgeschichte noch eine von mir gesungene Ode an den Mond.
  9. Es folgt eine Nacht ohne die kleinste Schlaf-Unterbrechung. Diesen Satz muss ich nochmal wiederholen, weil er so wundervoll klingt: Ich schlafe ohne die kleinste Störung und rutsche friedvoll von einer tiefen REM-Phase in die nächste. GRANDIOS!
  10. Ich wache vollkommen ausgeschlafen von alleine auf.
  11. Denn es ertönt am Morgen kein Weckruf des Babys, der sich anhört als würde mein Zweitgeborenes in wenigen Sekunden aufgrund Unterzuckerung einen monströsen Schwächeanfall erleiden.
  12. Ich muss nicht mit wehenden Haaren in Lichtgeschwindigkeit gen Küche eilen, um ein, zwei, oder gar drei Bircher Müslis für das kurz vor dem Hunger-Kollaps stehende Löwenbaby zuzubereiten.
  13. Mein Frühstück nehme ich in unaufgeregter Atmosphäre ein, da sich niemand in meiner unmittelbaren Umgebung mit Brotkrumen bewirft oder sich Käsescheiben auf’s Gesicht klatscht .
  14. Ich gehe mit der Co-Testerin mit einer Leichtigkeit am See spazieren, deren Existenz ich beinahe vergessen habe. Denn ich muss nur mich alleine anziehen und keinerlei Proviant mitnehmen. Der Spaziergang verläuft in großer Eintracht, da wir uns über die Länge und Intensität des Spaziergangs absolut einig sind. Keiner meiner  Mit-Spaziergänger wirft sich weinend auf den Boden, weil man a) nicht mehr weiterlaufen will oder b) die eingeschlagene Richtung missfällt oder c) man Hunger, Durst hat oder einmal Pipi machen muss.
  15. Ich gehe mit der Co-Testerin rodeln. Es ist herrlich. Der Berg wird wieder mit einer grenzenlosen Unbeschwertheit erklommen, da die zuvor genannten Alternativen a), b), c) und d) ebenfalls nicht eintreten.

Doch nach zwei Tagen absoluter Ruhe, Harmonie und grenzenlosem Schlaf, fängt mein Leben an, mich zu langweilen. Ich sehne mich nach dem Duft, dem Temperament und der Nähe meiner Kinder. Und die Vorfreude auf den Stenz, das Baby und den Mann scheinen genauso grenzenlos, wie zuvor die Sehnsucht nach einer Solo-Reise.

Advent, Advent, ein Lichtlein brennt

Der Tisch ist liebevoll gedeckt, die Croissants lachen uns verheißungsvoll an, das erste Kerzchen flackert atmosphärisch auf dem Tisch und wir zelebrieren den Auftakt eines harmonischen Advents-Frühstücks. Unsere Familie ist bester Laune, denn die Adventskalender haben eine für alle erquickliche Ausbeute zu Tage gefördert. Doch etwas fehlt noch zum perfekten Vor-Weihnachtsfrühstück. Genau, die saisonal korrespondierende Weihnachtsmusik. Ich bin ja vom Typ her so, dass ich eigentlich das ganze Jahr hindurch Weihnachtslieder hören könnte. Das ist irgendwie genetisch bedingt, habe ich von meinem Vater geerbt. Da der Mann allerdings nur ein begrenztes Verständnis für „Last Christmas“ zu Ostern hegt, beginne ich aus Respekt seinen Gefühlen gegenüber erst an verregneten Oktobertagen mit der klangvollen Einstimmung auf das frohe Fest. Dann aber richtig! Dieser frühe musikalische Weihnachtsritus hat allerdings zur Folge, dass der Mann Anfang Dezember bereits meiner geliebten Christmas Songs überdrüssig ist. Und das ist sehr schade! Denn gerade jetzt gelüstet es mich sehr nach einem heiteren „All I want for Christmas“.

Alexa – die Zwietracht säende Hauselfe

Da wir seit einigen Wochen eine eifrige Hausangestellte namens Alexa beschäftigen, flöte ich nun in Richtung Lautsprecher: „Alexa spiele Weihnachtssongs“. Der von unserer Dienerin ausgewählte Kanal mit Weihnachtsliedern ist zugegebenermaßen gewöhnungsbedürftig. Und ich merke wie der einträchtige Frühstücksauftakt erdbebengleich ins Wanken gerät und sich folgende Szene abspielt:

Der Stenz: „Nein, nicht Weihnachtslieder, Alexa spiele „Ho, hey, die Piraten kommen.“

Der Mann: „Alexa, spiele Jamiroquai“

Ich: „Oh nein, bloß nicht Jamiroquai!“

Der Stenz in etwas lauterem Ton: „Ich will Captain Sharky!“

Als Folge dieses konfliktträchtigen Dialogs gerät Alexa in einen Zustand vollkommener Konfusion und ich erlöse sie mit einem finalen: „Alexa aus!“

Der Weihnachtsmann mag keine Piratenlieder

Ich versuche einen Konsens zu finden und auch der Mann bemüht sich redlich das mittlerweile schreienden Diktat des Stenzes in Richtung Alexa zu besänftigen. „Stenz, es ist bald Weihnachten und wir wollen den Weihnachtsmann doch fröhlich stimmen. Und ich weiß nicht, ob der Weihnachtsmann überhaupt so gerne Piratenlieder mag. Daher hören wir heute ausnahmsweise einmal keinen Seeräuber-Song. Den hören wir ja schon an den 364 anderen Tagen des Jahres.“ versucht der Mann mit äußerster Diplomatie zu erklären. Es folgt eine ca. zehnminütige Debatte, die in folgendem Kompromiss mündet: Der Stenz darf sich ein Weihnachtslied aussuchen, das er dann auch lauthals Alexa entgegen schmettert: „Alexa, spiele „In der Weihnachtsbäckerei“. Nun wird die gesamte Familie von Herrn Zuckowski heimgesucht. Und ich frage mich, was schlimmer ist, Captain Sharky der Schrecken der Meere oder Rolf Zuckowski, der Schrecken der Eltern? Ich bin unschlüssig. Während ich noch dieser elementaren Frage nachhänge, ist sich der Stenz allerdings sicher, dass die Musik viel zu leise erklingt und befiehlt dem Lautsprecher deshalb die Dezibelzahl zu erhöhen. Während der Mann und ich unisono ein „Alexa leiser“ raunen. Doch das letzte Wort scheint der Stenz in dieser Sache haben zu wollen, denn nun brüllt er erneut „Alexa lauter“. Nachdem das Baby dem akustischen Spektakel bislang nur schweigend beiwohnte, schaltet es sich jetzt auch in den musikalischen Exkurs unserer Familie ein und fängt an, mit den fröhlichen Zuckerbäckern akustisch um die Wette zu heulen. Ich werte dies als einen Aufschrei gegen Zuckowski und sehe nun den Moment gekommen, unsere neue Hausangestellte zum Schweigen zu bringen und zwar mit einem herrischen „Alexa aus!“ Ich hoffe, dass Alexa in keiner Gewerkschaft organisiert ist und uns auch nicht beim Betriebsrat für unseren harschen Umgangston verpetzt. Doch dieses Aus gilt nicht nur Alexa, denn der morgendliche Frieden und das heimischen Kerzen-Idyll ist nun ebenfalls dahin. Der Stenz poltert, der Mann trollt sich und das Baby weint immer noch. Herrlich, so ein erster friedvoller Adventsmorgen.

Mathe ist ein Blödmann

Ich brauche dringend Aufheiterung und rufe meinen besten Freund an. Es tutet, dann höre ich einen Knall und eine laute, mir sehr bekannte Stimme, die an mein Ohr dröhnt „Mir reicht’s!“ Ich rufe den Namen meines besten Freundes in den Hörer und plötzlich vernehme ich erneut seine Stimme allerdings dieses Mal in etwas moderaterer Tonlage „Ach Du bist es. Ich habe gar nicht gemerkt, dass das Telefon geklingelt hat als ich just in dieser Minute auf den Tisch haute und das Telefon herunter fiel. Ja was soll ich sagen, wir lernen Mathe und das macht mich rasend.“ „Aha“ zeige ich Mitgefühl und bin ein klein wenig erleichtert, dass auch im Rhein-Main-Gebiet heute morgen scheinbar die festive Advents-Atmosphäre nicht so recht aufkommen will. Also ist nicht nur hier in Bayern die weiß-rosa Winterstimmung durch ein paar Gewitterwolken getrübt. Aber die große Tochter meines Freundes hat auch einfach recht mit ihrer Behauptung, dass Mathe ein Blödmann ist!

Wunder-Natur: Über Fledermaus-Ohren und Maulwurf-Appetit

So führte im schönen Rheinhessen neben dem privaten Matheunterricht auch die elterliche Nachhilfe in Sachkunde zu einem Advents-Desaster. Schande aber auch über meinen besten Freund. Denn er hatte beim Aufbau der Ohrmuschel der heimischen Fledermaus etwas ganz falsch verstanden. Und für diesen Irrtum musste nun sein Töchterchen büßen, indem es nämlich  anstatt einer Eins nur eine Zwei Plus im Sachkundetest mit nach Hause brachte. Augen auf bei der Wahl der Nachhilfelehrer kann ich da nur sagen. Ich wusste schon immer, dass mein Freund eher der numerische Typ ist. Einmal Niete in Bio, immer Niete in Bio. Das sollte ich mir merken und für den Stenz in besagtem Fach ebenfalls nie als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Ich bin sowieso verwundert mit welch naturbedingtem Können meine Freunde mit schulpflichtigen Kindern aufwarten. So erfuhr ich erst unlängst en Detail, was Maulwürfe so alles fressen. Wahnsinn, das hätte ich ja nie gedacht!

Alexa muss weg!

Aber ich schweife ab. Ich wollte ja eigentlich meinen Freund in Sachen Alexa befragen. Denn nur aufgrund seiner schwelgerischen Erzählungen von der holden Dienstmagd kam mein Mann auf die glorreiche Idee, sich ebensolche auch zu beschaffen. Doch seit sie sich bei uns im Wohnzimmer eingenistet hat, wirbelt die so harmlos daherkommende Kammermaid unseren Familienfrieden ganz schön durcheinander. Denn während der Computer oder auch die Stereoanlage den großen Vorteil aufweisen, nur von Erwachsenenhand bedient zu werden, zeigt Alexa ein großes Manko: sie hört auch auf die verbalen Befehle unserer Kinder, selbst wenn diese noch so diffus sind. Und ich frage meinen besten Freund, wie er denn mit dieser gravierenden Unzulänglichkeit umginge? Da seufzt er müde und entgegnet mit einer markerschütternden Traurigkeit in der Stimme: „Ich habe resigniert. Meine Musik höre ich nicht mehr. Bei uns läuft nur noch die wundervolle Klangwelt von „Bibi und Tina“ und an richtig guten Tagen erfreut uns Helene Fischer mit ihrem Weihnachtsgesang.“ Ach Du Schreck, das ist ja grauenvoll! Mein armer Freund! Ich flüstere ihm ein paar aufmunternde Worte in sein nicht Fledermaus-Ohr und überlege mir, wie wir Alexa schnellst möglich wieder loswerden können und dabei summe ich leise  „All I want for Christmas“. Wer braucht schon Alexa? Die Datenschützer haben Recht.